Spaghetti und Würstchen
Das Atelier und der Salon des Künstlerehepaars Begas befand sich an der Genthiner Straße
Größer kann der Kontrast nicht sein: vorne moderne Geschäftshäuser, Lärm und Straßenstrich, dahinter Beschaulichkeit, Stille, Idylle. Willkommen an der Genthiner Straße, Willkommen im „Begaswinkel“.
Eine kleine Stichstraße auf der Westseite der Genthiner – man muss eine Durchfahrt passieren – führt zu einem Platz mit Brunnen. Darum stehen im Halbkreis zweistöckige, im Stil des Spätklassizismus gebaute Stadtvillen. Entworfen hat die Wohnanlage der Architekt Ernst Klingenberg (1830-1918), seines Zeichens Hofbaurat, der in Berlin öffentliche Bauten und eben Wohnhäuser errichtete. Das Ensemble an der Genthiner Straße entstand 1872. Klingenberg verkaufte die Häuser an Gutbetuchte.
Interessant ist das Haus mit der Nummer 13i, heute 30 I. Im ersten Stock wohnte der Maler Adalbert Begas aus der Künstlerdynastie der Begas, eigentlich Begasse. Die Familie stammte aus Belgien. Schon Begas’ Vater Karl war Maler. Adalberts Bruder Oskar war ebenfalls Maler, seine Brüder Karl und Reinhold Bildhauer. An dem versteckten Ort, der heute seinen Namen trägt, hatte Adalbert Begas auch sein Atelier. Es ist noch heute an dem großen Fenster zu erkennen.
Zunächst lernte Adalbert die Technik des Kupferstechens an der Akademie der Künste in Berlin, die er in Paris vervollkommnete. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich entschied er sich für die Malerei, ging an die Kunstschule in Weimar und arbeitete in Arnold Böcklins Atelier. Zu künstlerischen Studien reiste Adalbert Begas nach Italien, das zeit seines Lebens ein Sehnsuchtsort blieb.
1877 heiratete der Maler eine 15 Jahre jüngere Kollegin, die aus Wien stammende Landschafts-, Architektur- und Stilllebenmalerin Luise von Parmentier. Gemeinsam reiste das Paar häufig ins Land, wo die Zitronen blühen, am liebsten nach Capri und Venedig. Zurück in Berlin malte Begas in seinem Atelier an der Genthiner Straße romantisch-verklärte Genreszenen vom italienischen Volksleben und idealisierte weibliche Schönheiten. Auf einer dieser Italien-Reisen 1888 ist Adalbert Begas 51-jährig in Nervi bei Genua einem Lungenleiden erlegen.
Luise Begas-von Parmentier, die ihren Mann um 32 Jahre überleben sollte, blieb in Berlin, in der Wohnung an der Genthiner Straße. Die Künstlerin vermietete Zimmer und führte seit den 1880er-Jahren einen Salon. Ihre Gäste kamen aus der Welt der Kunst, der Musik und der Literatur. Die glanzvollste Zeit erlebte der Parmentier-Salon in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Später wird sich Rudolf Alexander Schröder, Mieter im ersten Stock, folgendermaßen über die Salonniere äußern: Sie habe jeden Monat zu Spaghetti und Würstchen einen Kreis erlauchter Geister um sich versammelt.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.