Die polnische Spur
Dort, wo heute der Reichstag steht, befand sich einst das Palais Raczynski

Zeichnung des Palais Raczynski nach einem alten Foto.  | Foto: Skizze: KEN
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Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein ambitioniertes Lesebuchlexikon vorgelegt. „Polnische Spuren in Deutschland“ lautet sein Titel. Rund 250 Einträge zu leicht Übersehbarem, Verdrängtem und tief Verschüttetem sind in ihm versammelt. Der Kiez-Kompass hat im Lexikon einen verschwundenen Ort ausgemacht.

Es ist das Palais Raczynski, benannt nach dem polnischen Grafen und preußischen Diplomaten Atanazy Raczynski (1788-1874). Es stand am Platz der Republik, dem damaligen Königsplatz, exakt dort, wo sich heute das Reichstagsgebäude erhebt. 1884 wurde das Palais für den Reichstagsneubau abgerissen.

Raczynski aus altem Adel Großpolens studierte seit 1804 in Frankfurt/Oder und Berlin. Während eines Aufenthalts in Dresden 1806 wurde sein Interesse für die Kunst geweckt und er begann, Gemälde zu kaufen. Ein wichtiges Momentum für das Berliner „Palais Raczynski“. Nach Heirat und zahlreichen diplomatischen In- und Auslandsreisen, auf denen er dank seines großen Vermögens seine Gemäldesammlung weiter ausbaute, trat der polnische Graf 1830 in preußische Dienste.

1834 kaufte Atanazy Raczynksi ein Wohnhaus Unter den Linden 21. Seine Gemäldesammlung, deren Schwerpunkt zunächst auf italienischer Kunst der Renaissance, bald auf zeitgenössischer deutscher Kunst lag, brachte er zwei Jahre später in einem Gebäude im Hof unter. Jeder durfte sie bei freiem Eintritt besichtigen.

Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV., selbst ein großer Kunstliebhaber, schenkte dem polnischen Grafen ein Grundstück am Königsplatz. Der Architekt Heinrich Strack (1805-1880) aus der Schinkelschule, Erbauer unter anderem des Borsig-Eisenwerks und der Borsig-Villa in Moabit, der Säulenhallen der Torhäuser des Brandenburger Tores und der Siegessäule, errichtete dort für Raczynski ein Galerie- und Wohngebäude. Das Palais Raczynski kann als Vorläufer der Nationalgalerie gelten.

Atanazy Raczynski starb am 21. August 1874. Sein Sohn verkaufte das Palais an den preußischen Staat, der auf dem Grundstück seit 1871 den Reichstag errichten wollte. Bis zum Abriss vergingen aber noch einmal zehn Jahre.

Angelika Wesenberg schrieb 2003 in einem Buch über die Alte Nationalgalerie, Raczynskis Sammlung, 64 Bilder Alter Meister und 92 zeitgenössische Werke, seien bis 1903 im Obergeschoss der Nationalgalerie ausgestellt gewesen. Als die Vorbereitungen für die „Deutsche Jahrhundertausstellung“ in Berlin 1906 anliefen, ging die Sammlung im Rahmen der „Ostmarkenpolitik“ in das neu erbaute Kaiser-Friedrich-Museum, dem heutigen Nationalmuseum, in Posen, der Heimatstadt Atanazy Raczynskis. Angelika Wesenberg: „Die Nationalgalerie zeigte 1992 in einer Ausstellung die vollständig erhaltene Sammlung am alten Ort im Obergeschoss.“ Der Reichstag.

Zeichnung des Palais Raczynski nach einem alten Foto.  | Foto: Skizze: KEN
An der Stelle des Palais Raczynski steht heute das Reichstagsgebäude. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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