Ein Typ, den alle Welt kannte: Erinnerung an den Kunsthändler Alfred Flechtheim

Auf diesem Gelände befand sich einst die Galerie Flechtheim. | Foto: KEN
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Tiergarten. Mit den neuen Freiheiten der Weimarer Republik erlebte Berlin seine wilden zwanziger Jahre. Das Leben pulsierte, gerade auch im Lützowviertel, Berlins Kunstmeile schlechthin, heute das offizielle Tiergarten-Süd. Einer der ganz Großen war der Kunstsammler, Kunsthändler und Gesellschaftslöwe Alfred Flechtheim.

Sein Kollege in Paris, Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979), bekannt für seine Zusammenarbeit mit Pablo Picasso, hatte ihm Berlin empfohlen, als „der einzige Ort, an dem sich in Deutschland eine Filiale Ihres Geschäfts rechtfertigt“.

Flechtheim, 1878 als Sohn eines Getreidegroßhändlers in Münster geboren, sammelte schon seit 1900 Kunst und eröffnete 1913 in Düsseldorf seine erste Galerie. Der Erste Weltkrieg brach aus, Flechtheim musste die Galerie aus wirtschaftlichen Gründen schließen. 1919 nahm er einen neuen Anlauf im Rheinland.

Aber die deutsche Hauptstadt war nach wie vor ein Magnet. Am 1. Oktober 1921 eröffnete Flechtheim eine Filiale am Lützowufer 13. Im Jahr zuvor hatte an derselben Adresse die „Erste Dada-Messe“ in der Kunsthandlung Otto Burchard schockiert. Nun präsentierte Flechtheim dort, bald Hauptsitz seiner Galerie, die Kunst der Moderne und der Avantgarde, französische Kubisten sowie deutsche Zeitgenossen wie Georges Grosz, Max Beckmann und Paul Klee.

Flechtheims Galerie wurde zu einem Mittelpunkt des Berliner gesellschaftlichen Lebens. Seine Feste und Soiréen waren legendär. Tout Berlin traf sich bei Alfred Flechtheim, dem großen „Netzwerker“ der Kunst, wie man heute sagen würde: Künstler, Politiker, Sammler, illustre Vertreter der Gesellschaft, ja sogar Sportler wie Max Schmeling, den eine besondere Freundschaft mit Flechtheim verband. „Alfred Flechtheim war mehr als ein Kunsthändler, er war innerhalb des Zeittheaters, das mit anzusehen wir die Ehre haben, ein Mann, der immer im Vordergrund stand, ein Typ, den alle Welt kannte, von dem alle Welt redete“, sollte später der Kunstkritiker Paul Westheim in seinem Nachruf auf Flechtheim schreiben.

Im Sog der Weltwirtschaftskrise 1929, die auch den Kunsthandel traf und gerade jüdische Händler, wenn sie mit avantgardistischer Kunst handelten, stiegen die Nazis auf und mit ihnen antisemitische Hetze und Diffamierungen. Flechtheim wurde schon vor 1933 eines ihrer Opfer.

Unter den wachsenden Repressionen musste Flechtheim Ende 1933 seine Berliner Kunstbestände liquidieren. Der Galerist entschloss sich zur Emigration. „Ich habe gestern Berlin und zwar für immer verlassen. Meine Galerien da und in Düsseldorf werden geschlossen. Kein Platz mehr für mich“, schrieb er an den Schweizer Kunstsammler Oskar Reinhart.

Über die Schweiz und Paris gelangte Flechtheim nach London. Dort ist er 1937 an einer Blutvergiftung gestorben. Seine Frau Bertha, mit der er seit 1910 verheiratet war, blieb in Berlin. Das Ehepaar traf sich 1935 zu einer Italienreise, und Bertha weilte bis zu Flechtheims Tod am Krankenlager, kehrte aber immer wieder nach Berlin zurück.

Doch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten erfasste auch sie. Bertha Flechtheim musste Sicherheiten für die „Reichsfluchtsteuer“ hinterlegen. Sie wurde gezwungen, eine „Judenvermögensabgabe“ in Höhe von rund 70.000 Reichsmark zu bezahlen und ihren Schmuck und Wertgegenstände bei der städtischen Pfandleihe abzugeben. Im Herbst 1941 erhielt Bertha Flechtheim den Deportationsbefehl. Am Vorabend des Abtransports nahm sie sich in ihrer Wohnung in Wilmersdorf das Leben. KEN

Informationen zum Leben und Wirken des Alfred Flechtheims gibt es unter alfredflechtheim.com.
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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