Entdeckungen im Kunst-Herbst
III. Teil | Andreas Mühe HAGIOGRAPHIE BIOROBOTICA

Andreas Mühe, Ausstellung HAGIOGRAPHIE BIOROBOTICA in der St. Matthaeus Kirche am Kulturforum, Potsdamer Platz. Blick zum Altar: Sarkophag (2020) | Foto: Anne Schäfer-Junker
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  • Andreas Mühe, Ausstellung HAGIOGRAPHIE BIOROBOTICA in der St. Matthaeus Kirche am Kulturforum, Potsdamer Platz. Blick zum Altar: Sarkophag (2020)
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Entdeckungen im Kunst-Herbst an vier Orten - unterwegs mit Maske und AHA-Regeln
III. Teil | Andreas Mühe HAGIOGRAPHIE BIOROBOTICA

Die Ausstellung thematisiert den Reaktorunfall von Tschernobyl 1986. Im Werkzyklus „Biorobots“ 2020 zeigt Andreas Mühe die in originalgetreuen Kostümen nachgestellten namenlosen Frauen und Männer in ihren Schutzausrüstungen, die zu Tausenden wie Maschinen von der sowjetischen Obrigkeit in Tschernobyl als „Liquidatoren“ eingesetzt worden waren.

Andreas Mühe stellt seiner Ausstellung ein Zitat von Camus voran:
„… ich habe genug von den Leuten, die für eine Idee sterben. Ich glaube nicht an das Heldentum. Ich weiß, dass es leicht ist, und ich habe erfahren, dass es mörderisch ist.“ Albert Camus – DIE PEST.

Wie viel Anerkennung müssen wir unseren Zeitgenossen zollen, die sich, wie Andreas Mühe, künstlerisch an Grenzen gehend, bildschöpferisch-genial „ausquetschen“ und uns damit wachrütteln! Hier im großen, stillen und weihevollen Kirchenraum der St. Mattäus-Kirche eröffnet sich das Unvorstellbare. Der Tod erscheint als surreales Experiment. Eine großartige Ausstellung, sie lässt die Freiheit der künstlerischen Dimension in die Freiheit der individuellen Gedanken gleiten, sie ist Widerspruch und Schönheit zugleich. Sie hebt sich hervor aus der allgemeinen anschaulichen „Natur“ der Kunst und trifft aktuell ins Knochenmark mit ihren unheimlichen Bildern – sie ist Philosophie, Ästhetik und Hohes Lied der Schöpfung – ganz im Sinne düsterer Ambivalenz des aus der Geschichte Hervorbrechenden. Der Kirchenraum ist die große sakrale Hülle, die das Unaussprechliche und Vernichtende von Tschernobyl künstlerisch erlebbar macht. Da ist es Trost, daß eine wunderbare leise Anwesende vorsichtige Fragen beantwortet. Mein ausdrücklciher Dank geht hiermit an Johanna Koch (aus Göttingen) im Kirchen-Vorraum.

Andreas Mühe wurde 1979 in Karl-Marx-Stadt geboren, lebt in Berlin.

Stiftung St. Matthaeus. In 3 Akten in der St. Matthäus-Kirche am Kulturforum – noch bis 14.2.2021 (1. bis 19.11.2020; 2. 26.11.2020 – 3.1.2021; . 6.1.-14.2.2021)
Die Ausstellung zeigt im Kirchenraum: Biorobot I – IX (2020). Fotografie, Lichtkasten – 120 x 150 cm und Am Altar: Sarkophag (2020). Fotografie, gerahmt, hinter Museumsglas; 180 x 220 cm.

Anne Schäfer-Junker, Berlin (anne.junker@gmx.de)

Autor:

Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz

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