Orang-Utan-Mädchen Rieke zieht nach England
Wickeln, wiegen, stillen. All das wirkt für Menscheneltern merkwürdig vertraut. Rieke lieb zu haben, das ist ein Automatismus. So grausam die mütterliche Ablehnung wirkt, so eindringlich schürt die Zartheit dieses kleinen Wesens hinter einer Scheibe, welche den Eindruck der Verletzlichkeit noch verstärkt, Sympathien bei den Menschen.
Dünne, lange Fingerchen klammern sich in die Wülste des Pullovers von Pfleger Christian Aust. Bewundernde Blicke gehen zu seinem Antlitz hinauf. Und immer wieder setzt Aust das Fläschchen an den suchenden Mund. Rieke, das sieht man, ist sich des Ausnahmezustands nicht gewahr. Sie unterscheidet nicht zwischen Vater und Mutter, zwischen Affe und Mensch. Genau das wird auf lange Sicht zum Problem. Und deshalb soll Rieke fort.
Verflogen sind die Hoffnungen, Mama Djasinga möge sich des Tochtertiers vielleicht doch noch erbarmen. "Es muss wohl eine traumatische Erfahrung gewesen sein", vermutet Fachmann André Schüle eine schmerzhafte Geburt.
So fand das Personal des Affenhauses Rieke am Morgen des 12. Januar auf einem hohen Brett - laut schreiend und alleingelassen. Zwar mühen sich das Pflegerteam und Zoodirektor Andreas Knieriem mit besonderer Anteilnahme, die Leerstelle zu füllen. "Aber das Sozialverhalten und die Mimik eines Orang Utans", sagt Knieriem, "so etwas kann sie bei uns nicht lernen." Schon bald soll Rieke in die Obhut von kinderlosen, aber fürsorglichen Artgenossen gelangen. Das englische "Ape Rescue Center Monkey World" wird ihre neue Heimat.
Damit zeigt Knieriem ein weiteres Mal die neue Politik, mit der er seinen Betrieb in die Zukunft lenkt: Statt kurzweiliger Sensationen zählt das Beste für das Tier.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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