Schwieriges und bitteres Kapitel
Schwules Museum zeigt eine Ausstellung zum Thema Pädophilie
Das Schwule Museum, Lützowstraße 73, zeigt derzeit eine verstörende und mutige Ausstellung. Sie setzt sich mit der Rechtfertigung von Kindesmissbrauch auseinander.
Dazu wurden die eigenen Bestände und das hessische „Archiv der deutschen Jugendbewegung“ gesichtet. „Aufarbeiten: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation“ ist der Titel. In zwei Räumen sind Zeitschriften der Homosexuellenszene seit Beginn des 20. Jahrhunderts, Fotos, Bücher und Plakate zu sehen. In Videos kommen Betroffene und Zeitzeugen zu Wort.
Ideologisch gerechtfertigt
Sowohl Jugendorganisationen wie Wandervogel oder Pfadfinder als auch die Schwulenbewegung seien immer progressiv gewesen, so Birgit Bosold aus dem Kuratoren-Team. „Wie kann es kommen, dass hier Gewalt gegen Kinder ausgeübt und dann auch noch gerechtfertigt wird?“ Besonders seit den 1970er-Jahren, zu Zeiten der „sexuellen Revolution“, habe es in linken Kreisen breite Zustimmung zur Pädophilie gegeben. Sie wurde ideologisch gerechtfertigt, bestenfalls verharmlost. „Nach dem Motto: Sex ist nicht schädlich für Kinder, wenn er gewaltfrei ist und von Herrschaftsstrukturen befreit. Wer sich dagegenstemmt, ist verklemmt“, ergänzt Kurator Timo Heim. Ein Beispiel: die „Indianerkommune“, gegründet 1975 in Heidelberg. Dort lebten offen pädophile Erwachsene mit (Straßen-)Kindern zusammen.
Mehr Forschung nötig
„Uns geht es darum zu zeigen, wie breit damals die Zustimmung war und zu fragen: Was ist da kollektiv passiert?“, so Bosold. Sich von dieser Zeit zu distanzieren, ersetze eine Aufarbeitung nicht, sei sie auch noch so bitter. Pädophilie sei natürlich nicht nur in der queeren Szene und in den Jugendbewegungen ein Thema, doch jeder müsse sich mit seiner eigenen Historie beschäftigen. Ist es richtig, die Ausstellung in Zeiten zunehmender Queerfeindlichkeit zu zeigen? „Wir können nicht so tun, als hätte es diese Probleme nicht gegeben, damit spielen wir den Rechten nur in die Hände“, sagt Heim. Ziel sei, mehr Forschung anzuregen. Deshalb soll sich 2024 eine Konferenz anschließen.
Die Ausstellung läuft bis 26. Februar. Geöffnet ist montags bis freitags 12 bis 18 Uhr (donnerstags bis 20 Uhr), sonnabends 14 bis 19 Uhr und sonntags 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt neun, ermäßigt drei Euro. Infos unter www.schwulesmuseum.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.