Urania ehrt ehemaligen jüdischen Vorstand

"Rassenkunde" war in der NS-Zeit Gegenstand von Vorträgen in der "gleichgeschalteten" Urania. | Foto: IISG/Urania
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Schöneberg. Ein Vorstandsmitglied der Urania, der Rechtsanwalt Fritz Anselm Arnheim, wurde 1935 wegen seiner „nichtarischen Herkunft“ aus dem Wissenschaftsverein ausgeschlossen und 1944 in Auschwitz ermordet. Nun benennt die Urania ihr Hauptfoyer nach Arnheim und ehrt ihn mit einer Gedenktafel.

Der feierlichen Tafelenthüllung am 29. Januar geht eine Lesung mit Jost Wippermann voraus. Für „Verfolgt, vernichtet, vergessen: Das Schicksal des Fritz Anselm Arnheim“ recherchierte der Berliner Historiker ein Jahr lang in Archiven und Dokumentationszentren in Deutschland, Tschechien und Polen.

„Dies mündete in ein beeindruckend detailliertes Buch über das Leben und den grausamen Tod Fritz Anselm Arnheims, voller persönlicher Schriften, aber auch perfider bürokratischer Nazi-Dokumente“, erläutert Urania-Pressesprecherin Nina Wüllner.

Jost Wippermann konnte für sein Buch auch auf die 2013 anlässlich des 125. Urania-Jubiläums gezeigte Ausstellung „Mythos und Wissenschaft“ zurückgreifen. Schon damals beleuchtete Wippermann und sein Vater Wolfgang, auch er Historiker, die Rolle des Bildungszentrums zwischen 1933 und 1945.

An ihrem 100. Geburtstag 1988 hatte die Urania ihre braune Ära und das Schicksal ihres jüdischen Vorstands noch verdrängt. Eine Ehrung sei überfällig, sagte 2013 Wolfgang Wippermann gegenüber den Medien. Der Historiker dachte an einen Stolperstein oder die Benennung eines Raums nach Arnheim. Das Erinnern kommt jetzt, wenn auch mit knapp dreijähriger Verspätung.

Mit der Durchsetzung ihres totalen Herrschaftsanspruchs in der Urania betrauten die Nazis den Ballonfahrer, Oberst außer Dienst und ehemaligen Freikorpsführer, Hugo von Abercron (1869-1945). Fritz Anselm Arnheim, seit 1930 im Vorstand, widersetzte sich dieser „Gleichschaltung“.

„Ich stelle (…) den Antrag: Sofort Oberst a.D. von Abercron als Notvorstand abzuberufen und einen anderen Notvorstand zu bestellen“, zitiert Nina Wüllner einen der gut dokumentierten Versuche Arnheims, die Urania vor der drohenden Übernahme durch NSDAP-getreue Vorstände zu bewahren. Verhindern konnte Arnheim freilich nichts, aber wesentlich verzögern.

„Klaglos hingenommen“, so die Wippermanns, habe die Urania ihre „Arisierung“ 1935. Alle „nichtarischen“ Mitglieder des Vorstands wurden entlassen. Personen „nichtarischer“ Herkunft musssten ihre Urania-Aktien abgeben.

Abercron, seit 1932 NSDAP-Mitglied, führte die Urania vier Jahre lang. Er organisierte hauptsächlich Vorträge über Reisen und Veranstaltungen zur nationalsozialistischen „Rassenkunde“.

Arnheim, seine Frau Emilie und sein Sohn Ulrich Wolfgang wurden im August 1942 nach Theresienstadt und 1944 von dort nach Ausschwitz deportiert und ermordet. KEN

Lesung und Enthüllung beginnen am 29. Januar 17.30 Uhr, An der Urania 17, www.urania.de. Der Eintritt ist frei.
"Rassenkunde" war in der NS-Zeit Gegenstand von Vorträgen in der "gleichgeschalteten" Urania. | Foto: IISG/Urania
In der NS-Zeit wurde die namensgebende Muse Urania bedrängt. Stich aus Ovids Metamorphosen von 1562. | Foto: Wikipedia
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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