Anwohner wollen „Kölner Lösung“
Debattenreiche Veranstaltung zu „Sexarbeit und Nachbarschaft“ im Kurfürstenkiez

Diese Piktogramme, wie hier vor der Allegro-Grundschule, sollen Prostituierte darauf hinweisen, hier nicht auf Freier zu warten.  | Foto: KEN
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  • Diese Piktogramme, wie hier vor der Allegro-Grundschule, sollen Prostituierte darauf hinweisen, hier nicht auf Freier zu warten.
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Der Abend zu „Sexarbeit und Nachbarschaft“ in der Aula der Allegro-Grundschule war kein angenehmer Termin für Barbara König. Die SPD-Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung musste sich viele Fragen und harte Kritik von Anwohnern im Kurfürstenkiez gefallen lassen.

König, neben Tempelhof-Schönebergs Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) Ko-Leiterin des berlinweiten Runden Tisches Sexarbeit, hatte in der von der Stadtteilkoordinatorin für Tiergarten-Süd, Elena Brandes, organisierten Veranstaltung die Strategie des Senats zu Sexarbeit (und Straßenstrich) verteidigt: Menschenhandel bekämpfen und Sexarbeit unterstützen. Letzteres leisten schon heute Vereine wie der Notdienst Berlin mit seiner Anlaufstelle „Olga“ an der Kurfürstenstraße, wie Hydra oder wie Subway für männliche Prostituierte, wie die Zentren für sexuelle Gesundheit in den Berliner Bezirken oder die Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung.

Der im September 2018 einberufene Runde Tisch Sexarbeit, an dem Vertreter von Senatsverwaltungen und Bezirken, Polizei und Beratungsstellen sowie Bordellbesitzer aber keine betroffenen Anwohner sitzen, hat vor, die Finanzierung für längere Öffnungszeiten bei „Olga“ und mehr muttersprachliche Beratung der Prostituierten aufzustocken, zwei City-Toiletten zu installieren und den Reinigungsdienst zu verstärken. Für die Umsetzung solcher Pläne ist ein Begleitgremium aus den Senatsverwaltungen und den Bezirksämtern geschaffen worden. Gerade prüft der Runde Tisch das Aufstellen von Verrichtungsboxen im Kiez.

Vorbild Köln: Innenstadt ist Sperrgebiet

Im Verlauf der Versammlung wurde schnell deutlich: Eine Mehrheit im Publikum möchte weder Verrichtungsboxen noch länger den Straßenstrich vor der Haustür. Und sie will beim Runden Tisch mitreden. Die Bürger favorisieren die "Kölner Lösung", die Anna Wolff vom Gesundheitsamt Köln vorstellte. Die gesamte Innenstadt der Rheinmetropole ist Sperrbezirk. Dafür gibt es zwei Straßenstriche, seit 2002 einen geschützten in einem Industriegebiet und seit 2011 einen geduldeten, der ebenfalls weit vom Zentrum entfernt liegt. Der fußballfeldgroße, geschützte Straßenstrich „Geestemünder Straße“ ist baulich abgeschirmt und wird von Ordnungsamt und Polizei laufend kontrolliert. Es gibt eine Anbahnungsstraße, Wartehäuschen und speziell gesicherte „Verrichtungsboxen“ für die Sexarbeiterinnen. Zuhälter haben keinen Zutritt zum Straßenstrich, Prositituierte in der Zeit von 12 bis 2 Uhr und nur, wenn sie eine Anmeldung nach dem Prositituiertenschutzgesetz vorweisen können. Dafür haben die Frauen vor Ort Zugang zu medizinischer und sozialer Beratung, zu WC und Duschen und zu einer warmen Mahlzeit. Die "Geestemünder Straße" wird komplett von der Stadt Köln finanziert.

Auf dem geduldeten Straßenstrich „Kölner Süden“ dürfen Prositituierte ihre käuflichen Liebesdienste zwischen 20 und 6 Uhr in Wohnwagen anbieten. Ein Beratungsangebot für die Frauen gibt es dort nicht. In Köln hätten Gewalt und Kriminalität auf dem Straßenstrich signifikant abgenommen, sagte Anna Wolff.

Berlins Staatssekretärin Barbara König wurde ausgebuht, als sie die Position des Senats deutlich machte: keine Sperrbezirke, keine Sperrzeiten. Immerhin versprach König, beim Thema Straßenstrich im Kurfürstenkiez ein oder zwei Sprecher der Anwohner zum Runden Tisch einzuladen.

Etwas Vergleichbares zum großen Runden Tisch soll es auch auf Bezirksebene geben, so Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) in der Veranstaltung. Von Dassel, ein Befürworter von Sperrbezirk und Sperrzeiten, fand die "Kölner Lösung" offensichtlich gut. Er könne sich eine geschützte Straßenstrichzone am Tempelhofer Feld vorstellen, so von Dassel. Mittes Bürgermeister warb um ein „ideologiefreies Weiterdiskutieren“.

Diese Piktogramme, wie hier vor der Allegro-Grundschule, sollen Prostituierte darauf hinweisen, hier nicht auf Freier zu warten.  | Foto: KEN
Staatssekretärin Barbara König stieß mit den "Verrichtungsboxen" für Prostitituierte bei Anwohnern auf wenig Gegenliebe.  | Foto: Senat von Berlin/Heike Barndt Photography
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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