Für die Mieter des Wohnhauses an der Lützowstraße kommt ein Milieuschutz zu spät

"Wir bleiben", skandierten Mieter vor ihrem Wohnhaus an der Lützowstraße. | Foto: KEN
2Bilder
  • "Wir bleiben", skandierten Mieter vor ihrem Wohnhaus an der Lützowstraße.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Tiergarten. „Beim Einzug hatte ich die Hoffnung, mit meiner Frau hier bis zum Ende meiner Tage leben zu können, ohne behelligt zu werden. Das war ein Trugschluss.“ Wolfgang Roth wohnt seit 40 Jahren in dem Haus an der Ecke Genthiner- und Lützowstraße. Nun hat der Eigentümer, eine ausländische Fondsgesellschaft, beschlossen, das Haus zu modernisieren und die Wohnungen zu verkaufen. Inzwischen werden diese auch auf einem Immoblienportal im Internet angeboten. Bezugstermin: 2018/2019.

Ein Wohnhaus kaufen, die Mieter so rasch wie möglich herausbekommen, durchsanieren, aufteilen und einzelne Wohnungen mit Rendite verkaufen, das ist ein Geschäftsmodell, das schon lange in Berlin Schule macht. „Es ist ein brachiales, aber legales Modell“, sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Das Bezirksamt und der rot-rot-grüne Senat lehnten dieses jedoch ab, so Gothe.

Kurz vor Weihnachten hatten die Mieter die Modernisierungsankündigung erhalten – mit Forderungen, sich für die Zeit der Bauarbeiten – bis zu acht Monaten – bei Bekannten oder Verwandten eine Ersatzbleibe zu suchen. Das Haus wurde in den Siebzigern als sozialer Wohnungsbau errichtet. Seit dem Verkauf durch Möbel Krieger wurde die Immobilie wie ein Wanderpokal weitergereicht. Inzwischen ist das Haus sehr sanierungsbedürftig. Viele Fenster sind marode. Asbest ist verbaut. Die Wasserleitungen sind veraltet. Investiert hat von all den Investoren, die kamen und gingen, niemand. Das haben die Mieter getan. Und sie sollen jetzt raus.

Rund 40 der insgesamt 95 Wohnungen stehen schon leer. Sehr ängstliche Mieter, die noch nicht über ihre Rechte Bescheid wussten, haben sich mit einer Abfindung von 3000 Euro ködern lassen. Den Umzug mussten sie allerdings selbst bezahlen. Seitdem das Stadtteilforum Tiergarten-Süd von den Vorgängen an der Lützowstraße erfahren hat, mobilisiert es die verbliebenen 120 Mieter, Widerstand zu leisten. Am 10. Juli gab es eine Kundgebung vor dem Haus. „Wir bleiben hier“, wurde da skandiert.

Das Familienzentrum „Villa Lützow“ hat eine Mieterberatung eingerichtet. Geprüft wird, was von den angekündigten Maßnahmen unter Modernisierung fällt und was bloß eine Sanierung ist und nicht auf die Mieter umgelegt werden kann. Die Demonstranten forderten einen umgehenden Milieuschutz für den Kiez, in dem in den vergangenen Jahren gut 2000 neue Wohnungen entstanden sind und an allen Ecken eine rege Bautätigkeit herrscht. Damit wächst der Druck auf Altmieter.

Sebastian Bartels, Rechtsanwalt und stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, findet es skandalös, dass Tiergarten-Süd nicht schon längst zum Milieuschutzgebiet erklärt worden ist. Das hätte bereits vor acht Jahren geschehen müssen. Erste Untersuchungen seien 2014 durchgeführt worden mit dem Ergebnis, um das Quartier stehe es noch nicht so schlimm, weiß Regine Wosnitza vom Stadtteilforum. Tiergarten-Süd wurde zwar zum „Beobachtungsgebiet“ erklärt, aber passiert ist seither nichts.

„Der Milieuschutz ist nur eine Krücke“, sagt Stadtrat Gothe, eine Maßnahme, die den einzelnen Mieter nicht schützen und Entwicklungen wie etwa die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nur verzögern, aber nicht verhindern könne. Für Investoren sei Milieuschutz nur eine Frage der Kalkulation, sagt Ephraim Gothe. Für die Mieter in der Lützowstraße komme der Milieuschutz zu spät. „Das ist die bittere Wahrheit.“ Trotzdem habe das Bezirksamt entschieden, Tiergarten-Süd, so rasch wie es geht, in ein Milieuschutzgebiet umzuwandeln. KEN

"Wir bleiben", skandierten Mieter vor ihrem Wohnhaus an der Lützowstraße. | Foto: KEN
Das Wohnhaus aus den siebziger Jahren soll modernisiert, die Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden - ein gängiges Geschäftsmodell von Investoren. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 27.11.24
  • 515× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 390× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.458× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 1.179× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.