„Ich bin kein Flüchtling mehr“: Abdullah startet eine kaufmännische Ausbildung in Berlin
Tiergarten. Vor zwei Jahren hatte die Berliner Woche Geflüchtete porträtiert, die in Berlin angekommen waren. Diesmal sprachen wir mit Flüchtlingen, die sich inzwischen eine neue Existenz aufgebaut haben oder gerade dabei sind.
Abdullah feierte im September den Jahrestag seiner Ankunft in Berlin und den Start einer Ausbildung. Vor drei Jahren fand seine Flucht aus dem Norden Syriens in Berlin ein Ende. Der sympathische Syrer hatte das Land noch vor Beendigung seines Studiums der Französischen Literatur verlassen. „Es wurde immer gefährlicher für die Kurden.“
Doch das Geld für eine Flucht musste noch verdient werden. Eine Möglichkeit fand er im Irak. „Ich habe mich in der Hotelerie hochgearbeitet. In acht Monaten vom kleinen Kellner zum Oberkellner“, sagt er stolz. Doch der Krieg kam immer näher und der Drang, in einer Region ohne Krieg zu leben, war stärker.
Der 31-jährige Kurde aus der syrischen Stadt Derik (arabisch Al Malikya) kann sich noch gut an seine ersten Tage in Berlin erinnern. Er fand keine Unterkunft, da die vom LaGeSo vorgeschlagenen Hotels Geflüchtete nicht mehr aufnahmen.“Ich fühlte mich verängstigt, einsam, traurig und verloren.“
Unangenehm, so sagt der poetisch veranlagte Abdullah mit ernster Miene, sei der Bart gewesen, der ihm auf der Flucht gewachsen war und der ihn wie ein Islamist aussehen ließ. „Dabei bin ich gar nicht religiös und noch dazu als Kurde stolz darauf, dass viele aus meinem Volk gegen die Islamisten kämpfen“.
Als der lange Bart hier in Berlin einem gepflegten Dreitagebart gewichen war, fing Abdullah an, sich mit der deutschen Kultur zu beschäftigen. Während der langen Wartezeit auf einen Termin zum Asylverfahren lernte er als Autodidakt die Sprache. TV-Kommentatoren und Radiojournalisten wurden tagtäglich seine besten Lehrer. Loriot & Co sorgten mit ihren Sketchen für entspanntes Lernen. Abdullah hat sich so bis auf das Sprachlevel B1 hochgearbeitet – ohne Deutsch-Kurs.
Ehrgeiz und Pragmatismus halfen ihm dabei. Jetzt sucht er einen ehrenamtlich tätigen Deutschlehrer für den letzten Schliff. Denn er will sich anpassen. „Ich will einer von Euch sein, nicht immer den Status eines Flüchtlings haben.“
Dafür tut er viel, er engagiert sich als Ehrenamtlicher bei der Familienhilfe, als Dolmetscher und Mediator. „Viele Geflüchtete sind so alleine und hilflos, da muss ich einfach helfen.“ Ein Praktikum bei der Bayer AG sorgte dann für den ersten Kontakt zum Arbeitsleben in Deutschland. Danach entschied sich Abdullah für eine Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf.
„Das scheint mir eine gute Grundlage für eine Beschäftigung in Deutschland zu sein. Im Büromanagement kann man überall arbeiten“, und fügt lachend hinzu, “die Deutschen sind doch in ihre Formulare und Dokumente verliebt, oder?“ Er hat mit Hilfe von Freunden über dreißig Bewerbungen verschickt. Es kamen anfänglich viele Absagen, doch zum Schluss erhielt er zwei Angebote.
Der zielstrebige Syrer entschied sich für die Degewo Berlin mit Sitz in der Potsdamer Straße. „Ich bin gespannt, wie die Berufsausbildung hier funktioniert. Ein wenig von der deutschen Arbeitskultur habe ich ja schon im Praktikum kennengelernt.“ ARL
Autor:Angelika Ludwig aus Weißensee |
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