Nachbarschaft und Prostitution
Maßnahmenkatalog wird bisher nur langsam verwirklicht
Das Problem ist alt, doch das Thema sorgt nach wie vor für Zündstoff: der Straßenstrich im Kurfürstenkiez.
Vor einem Jahr fand im Quartier eine wissenschaftlich begleitete Befragung der Anwohner statt. Die Wünsche einer Mehrheit hinsichtlich der Straßenprostitution sind eindeutig: Sperrgebiet und Sperrzeiten, mehr Kontrolle der Sexarbeiterinnen, eine Festlegung von Orten, an denen Straßenprostitution stattfinden darf, und mehr Polizei im Kiez.
Bezirk, Senat und Sozialunternehmen wie der Notdienst Berlin und seine Einrichtung vor Ort, der Frauentreff Olga, wollen davon nichts wissen. Sie suchen vielmehr einen Ausgleich zwischen Prostituierten, Anwohnern und Gewerbetreibenden. Politisch ist das von einer rot-rot-grünen Mehrheit in Bezirk und Land auch durchaus so gewollt. Es wurde ein Maßnahmenkatalog erstellt, um mehr „Sozialverträglichkeit“ und „gegenseitiges Verständnis“ zu erlangen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte hat 100 000 Euro freigegeben. Was seit Februar 2018 erreicht wurde, nimmt sich jedoch recht mager aus. Es wurden zwei Toiletten für die Sexarbeiterinnen aufgestellt und die Förderung des Frauentreffs Olga angeschoben.
40.000 Euro für Olga-Projekt
Ein mobiles WC steht seit 12. September vergangenen Jahres an der Ecke Genthiner Straße und Magdeburger Platz, das andere seit der zweiten Novemberhälfte vor der Zwölf-Apostel-Kirche. Das Klo am Magdeburger Platz wird jede Woche rund 100 Mal benutzt, das vor der Kirche annähernd 150 Mal. Viel Vandalismus wurde bisher noch nicht festgestellt. Allenfalls gibt es eine „Fehlnutzung“, etwa durch Passanten und Bauarbeiter. Das Auffinden von Kondomen und Verpackungen lässt darauf schließen, dass die WCs als Verrichtungsboxen genutzt werden.
Am 1. Oktober 2018 hat das am 31. Dezember 2019 auslaufende, 40.000 Euro teure Olga-Projekt „Nachbarschaft und Prostitution“ begonnen. Die Zielgruppen sind Anwohner und Arbeitnehmer in Tiergarten-Süd und Schöneberg-Nord, Mitarbeiter der ansässigen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Gewerbetreibende – und natürlich die Prostituierten. Das Projekt soll Sprechstunden und sonstige Veranstaltungen für die Nachbarschaft, Besucher der sozialen Einrichtungen und ihre Mitarbeiter umfassen, mehr Streetwork, vor allem in den Abendstunden, das Aufbringen von Piktogrammen vor Kitas und Schulen, die Prostituierte darauf hinweisen sollen, dort bitte nicht zu stehen, sowie die Schulung von Kinder- und Jugendeinrichtungen im Umgang mit dem Phänomen Straßensex. Die Piktogramme wurden aufgesprüht. Ein Platz- und Konfliktmanagement ist nicht gekommen. Dafür wird es im Bezirksamt Mitte einen Präventionsbeauftragten für den Kurfürstenkiez geben.
Zäune und Licht
Ungleich größer ist die Zahl der Maßnahmen, die noch ausstehen. So sollen die Durchfahrtsverbote in den Seitenstraßen der Kurfürstenstraße kontrolliert, weitere Grünanlagen und Freiflächen eingezäunt, Straßen und Plätze besser beleuchtet, das Ordnungsamt personell verstärkt und das Prostituiertenschutzgesetz auch richtig umgesetzt werden. Auch muss ein neues Müllbeseitigungskonzept her, damit die Berliner Stadtreinigung auch dort Müll und Fäkalien beseitigt, wo sie bislang nicht hinkommt.
Prostituiertenschutzgesetz, Ausleuchtung und die Reinigung von Straßen und Plätzen standen denn auch unlängst in der Kritik in einer Anwohnerversammlung. Umstritten waren zudem die beiden Toiletten. Entlasten sie die Umgebung wirklich oder verfestigen sie nur den Kiez als Freiluftbordell? In diesem Sommer ist mindestens eine weitere Anwohnerversammlung geplant.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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