Öffentliche Mittel für Billigsex?
Neuer Vorstoß des Bürgermeisters zu Sperrgebiet im Kurfürstenkiez

Sperrgebiet klingt martialisch nach Zaun und Stacheldraht. Gemeint ist aber: Hier darf keine käufliche Liebe angeboten werden.  | Foto: KEN
  • Sperrgebiet klingt martialisch nach Zaun und Stacheldraht. Gemeint ist aber: Hier darf keine käufliche Liebe angeboten werden.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) unternimmt einen neuen Vorstoß, den Straßenstrich aus dem Kurfürstenkiez zu verbannen. Anwohner und Gewerbetreibende im Viertel weiß der Bürgermeister auf seiner Seite.

Sie fordern ein Verbot der Straßenprostitution. Ihre Schmerzgrenze ist längst überschritten angesichts der Verschmutzung und offen kopulierender Paare vor ihren Wohnungen.

Der Senat und von Dassels Amtskollegin aus Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), wollen den Puff unter freiem Himmel nicht einschränken. Sie fürchten eine Verschlechterung der Gesamtsituation. Die Verdrängung der Prostituierten aus der Kurfürstenstraße und umliegenden Straßen löse keine Probleme, sondern verlagere sie nur, sagt Schöttler.

Der Senat hat einen Runden Tisch Sexarbeit eingesetzt. Der hat unlängst die Erprobung sogenannter Verrichtungsboxen beschlossen in der Hoffnung, damit den käuflichen Sex aus der Öffentlichkeit in die für Prostituierte sichereren Boxen zu verlagern. Die Boxen sollen unter U-Bahnbögen am Bülowbogen stehen und von Freiern nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen sein.

Keine Prostituierten mehr auf der Straße

Hier setzt Stephan von Dassels neuer Vorstoß an: „Beide Seiten sollen aus ihren ideologischen Schützengräben kommen.“ Verrichtungsboxen seien vielleicht ein guter Kompromiss zwischen Befürwortern und Gegnern des Straßenstrichs, sagt Mittes Bezirkschef, aber nur, wenn sie „an geeigneter Stelle“ aufgestellt würden, etwa am Zentralen Festplatz im Wedding oder auf Park- und Abstellflächen am Flughafengebäude Tempelhof, und gleichzeitig für den Kurfürstenkiez eine Sperrgebietsverordnung erlassen werde. Also: Verrichtungsboxen, aber keine Prostitution mehr auf der Straße. Diese sei ohnehin von Kriminalität und Gewalt geprägte Armutsprostitution.

„Wollen wir öffentliche Mittel dafür ausgeben, dass Männer billigen Sex haben können“, wirft Bürgermeister Stephan von Dassel in die Diskussion ein und meint Maßnahmen wie das Aufstellen öffentlicher Toiletten, Reinigungsaktionen der Berliner Stadtreinigung und Angebote sozialer Trägervereine vor Ort. Diese sind laut Stephan von Dassel die unfreiwilligen Helfer der Zuhälter. Und sie erreichten ohnehin nur einen Teil der Frauen.

Arm und drogenkrank

Laut Bezirksamt erfüllt nur eine Minderheit der Frauen die Anforderungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz, dessen Umsetzung in Berlin der Bezirk Tempelhof-Schöneberg übernommen hat. Fünfzig Prozent der Frauen auf dem Straßenstrich, die zumeist aus Ost- und Südosteuropa stammen, seien Zwangsprostituierte und würden von Banden der organisierten Kriminalität kontrolliert. Die Frauen hätten ein massives Suchtproblem. Sie seien aber erst auf dem Berliner Strich drogenkrank und/oder HIV-positiv geworden.

„Wer sich zur Situation vor Ort äußert, sollte die Situation vor Ort kennen“, mahnt Mittes Bürgermeister. Stephan von Dassel hat alle politisch Verantwortlichen zu einem Nachtspaziergang noch in diesem Sommer eingeladen. Bisher hat nur Senatorin Dilek Kalayci (SPD) ihre Teilnahme zugesagt. Die Presse darf nicht dabei sein.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 88× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 427× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 398× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 830× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.