Amt kann auch anders
Jobcenter Barnim: Durchwahl und E-Mail statt Härte
BERNAU BEI BERLIN - Unmenschlich, überfordert und schnell mit Sanktionen: Seit Monaten wird über die Härte von Jobcentern diskutiert. Im Landkreis Barnim kann man Arbeitsagentur-Angestellte direkt anrufen und schreiben. Man setzt auf Kommunikation mit den ALG2-Empfängern. Offenbar mit Erfolg.
Jobcenter haben kein gutes Image. Und die, die auch mal positiv über die Behörde erzählen wollen, scheinbar auch nicht. Nadine* wohnt mit ihrem Freund und der kleinen Tochter in Bernau bei Berlin. Die 22-Jährige möchte unbedingt anonym bleiben, weil man ihr auf Facebook schon unterstellte, sie sei eine Angestellte im Jobcenter Barnim. Ihre Behauptungen überprüfe ich später über die Pressestelle. Nadines Anliegen - dem Amt öffentlich mal ein Lob aussprechen. "Ich war Anfang des Jahres total überrascht, weil ich die Durchwahl von meiner Sachbearbeiterin in der Leistungsabteilung bekommen habe." Das hat vieles inzwischen vereinfacht für die junge Mami. Die Anrechnung des Elterngeldes und Lohn ihres Partners, der in Charlottenburg arbeitet, war nicht immer verständlich und Nadine hatte häufig Anträge unvollständig abgegeben. "Man rief mich an, sagte mir, was fehlte und erklärte mir die Vorgänge genau." Da ihre Akten bereits digital verarbeitet werden, kann sie ein sogenanntes Teampostfach nutzen und nun direkt eine Mail an die jeweiligen MitarbeiterInnen senden. Nadine findet ihre Sachbearbeiterin cool. Und sie ist nachweislich ALG2-Empfängerin (Aufstockerin wegen zu geringem Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft), legte mir ihren Bescheid vor.
Anliegen unbürokratischer klären
Die zuständige Arbeitsagentur bestätigte mir schriftlich die Möglichkeit der schnellen Erreichbarkeit zuständiger Ansprechpartner. "Das Jobcenter der Zukunft wird noch stärker als bisher geprägt sein von einem intensiven Beratungsansatz, sei es im persönlichen Gespräch oder durch Onlineangebote", erklärte mir der Pressesprecher. "(...) Das Jobcenter Barnim hat im Ausbau der Beratungsleistung einen Schwerpunkt gesetzt, wir wollten deshalb auch den telefonischen Kontakt noch intensiver als bisher für die direkte Anliegensklärung nutzen." Bis zum letzten Jahr war kein Durchkommen - eine Hotline musste angerufen werden. Rückrufe vom Amt kamen nur mit unterdrückter Rufnummer, damit ja keiner die Durchwahl sah. Das ist ebenso vorbei. Das Jobcenter Barnim bekäme nach eigenen Angaben eine sehr positive Reaktion der Leistungsempfänger über die bessere Erreichbarkeit. "Kunden schätzen, dass sie direkt mit dem Entscheider/Bearbeiter telefonisch auf dem kurzen Weg kommunizieren können und so schnell und unbürokratisch ihr Anliegen klären können."
Mitarbeiter auch im Café zu treffen
Über Nadine bekomme ich einen Kontakt zu ihrer Freundin Ulrike**, die vom selben Jobcenter betreut wird. Die HartzIV-Empfängerin verriet noch einen weiteren Service. "Ich bin vom berufspychologischen Dienst der Arbeitsagentur als nur eingeschränkt vermittelbar einstuft. Ich hatte lange Zeit Schiss gehabt ins Amt zu gehen. Manchmal hatte ich das Gefühl, die im Jobcenter halten mich vor faul oder glauben, meine Depressionen seien nur vorgeschoben." Inzwischen habe Ulrike eine neue Sachbearbeiterin. "Man bot mir Anfang des Jahres an, mich zunächst außerhalb vom Jobcenter mit den Mitarbeitern zu treffen, wenn ich Panik vor der Behörde habe." Entweder zu Hause oder in einem Café. Geht das so einfach? Nachfrage dazu beim Sprecher. "Dieses Angebot wurde bislang nur einzelnen Kunden in einem besonderen Beratungskontext gemacht. Umfangreiche Erfahrungen liegen dazu noch nicht vor. Die Kunden, denen dieses Angebot unterbreitet wurde, standen dem positiv gegenüber." Nadine findet es toll, traut sich inzwischen wieder ins Amt und soll sich im nächsten halben Jahr erstmal auf ihre psychologische Behandlung konzentrieren.
"Wir sind lernende Organisation"
Natürlich lässt sich aus zwei positiven Fällen nicht die Arbeitsweise eines gesamten Jobcenters ableiten. Und wer sich dauerhaft nicht an Abmachungen hält, dürften vermutlich auch im Jobcenter Barnim Sanktionen drohen. Leistungsempfänger werden hier nicht in Watte gepackt. Aber man wolle in dem brandenburgischen Landkreis eine Veränderung im Umgang mit bedürftigen Menschen anstreben. Davon profitiert letztendlich auch das Personal im Jobcenter. In der Leistungsabteilung vom hiesigen Jobcenter soll die Bearbeitung inzwischen häufig schneller gehen. "Soweit der jeweilige Antrag mit allen notwendigen Unterlagen vorliegt, liegen die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten zwischen 8 – 14 Tagen", antwortete mir der Sprecher weiter. Dies bestätigt auch die Aussage meiner Interviewpartnerin Nadine. "Einen Bescheid hatte ich sogar vier Tage nach einem Anruf bekommen." Läuft also in Barnim? Für den Sprecher ist manche Kritik zumindest nicht mehr gerechtfertigt, das Haus will aber noch besser werden. "Die Jobcenter leisten bundesweit eine wichtige und nicht immer einfache Arbeit", so der Sprecher abschließend. "Wir können nicht für andere Häuser sprechen, für uns gilt, dass wir kontinuierlich daran arbeiten, unsere Dienstleistung zu verbessern. Konstruktive Kundenkritik wird auf- und ernst genommen. Insofern sehen wir uns als kontinuierlich lernende Organisation."
* Namen auf eigenen Wunsch und **aus Datenschutzgründen geändert.
Autor:Marcel Adler aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.