Grete Ring – erfolgreich, vertrieben, vergessen
Ausstellung erinnert an Liebermanns Nichte
Wer im Internet als Laie ungezielt nach Kunsthändlerinnen in mehr oder weniger lange zurückliegenden Zeiten sucht, wird vor allem auf Namen wie die immer wieder genannten von Trudel Klefisch, Hilde Thannhauser oder Johanna Ey stoßen, Grete Ring ist – jedenfalls bei unserer Recherche – nicht dabei. Das könnte sich künftig ändern.
Denn genau dieser Grete Ring widmet sich gerade die Liebermann-Villa am Wannsee in einer großen Ausstellung, die nicht nur Licht auf ihr Leben wirft, sondern auch neue Perspektiven auf den Kunsthandel des frühen 20. Jahrhunderts eröffnet.
Dabei werden zentrale Momente der Karriere Rings – darunter so Spektakuläres wie ihre Entdeckung der Wacker’schen Van Gogh-Fälschungen im Jahr 1928 – sowie ihre beachtliche Sammlung französischer und deutscher Zeichnungen mit Leihgaben aus dem Ashmolean Museum in Oxford beleuchtet, unter denen sich Werke so bedeutender Künstler wie Paul Cézanne, Pierre-Auguste Renoir, Caspar David Friedrich und Edgar Degas befanden. Und dennoch: Trotz höchster Kompetenz und bahnbrechender Karriere geriet sie in Vergessenheit und teilt damit das Schicksal vieler herausragender Frauen ihrer Zeit.
Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte als eine der ersten Frauen und ihrer Promotion bei dem in der Fachwelt renommierten Heinrich Wölfflin arbeitete Ring als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Berliner Nationalgalerie, bevor sie 1921 ihre Arbeit in der führenden Kunstgalerie Berlins, dem Kunstsalon Cassirer, eintrat. Nachdem sich Paul Cassirer, Kunsthändler und Verleger, bei einer Scheidungsverhandlung mit seiner zweiten Ehefrau Tilla Durieux im Jahr 1926 erschossen hatte, übernahm die Kunsthistorikerin und Kunsthändlerin zusammen mit ihrem Geschäftspartner Walter Feilchenfeldt nun die Leitung des Unternehmens. Vor der drohenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten war sie dann jedoch gezwungen, Berlin 1938 in Richtung Londoner Exil zu verlassen, wo sie ihre Karriere mit der Gründung einer Dependance des Kunstsalons Cassirer erfolgreich fortführen konnte.
Die Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee präsentiert erstmals das Lebenswerk von Grete Ring und wirft dabei einen Blick auf das Netzwerk der Kunsthändlerin zwischen Weimarer Republik und ihrer Zeit im britischen Exil. Ring war eng vertraut mit dem Maler Oskar Kokoschka, der sie um 1923 porträtierte. Auch durch ihre Verbindung zur Familie Liebermann hat sie auch heute noch einen hohen Stellenwert für die Liebermann-Villa, war sie doch als Tochter von Martha Liebermanns Schwester Margarethe Liebermanns Nichte, eine enge Freundin von dessen Tochter Käthe und Patin seiner Enkelin Maria.
Die Ausstellung „Grete Ring. Kunsthändlerin der Moderne. Von Cézanne und Renoir bis Liebermann und Kokoschka“ ist bis zum 22. Januar 2024 in der Villa Liebermann in der Colomierstraße 3 in Wannsee täglich außer dienstags, an Heiligabend und Silvester von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt zehn, ermäßigt sechs Euro.
Zur Ausstellung ist ein 168-seitiger Katalog in deutscher Sprache mit 120 meist farbigen Abbildungen und Essays zum Leben und Wirken von Grete Ring im Sandstein Verlag erschienen (ISBN 978-3-95498-771-9). Außerdem bietet die Villa eine Vielzahl von Sonderveranstaltungen und ein breites Begleitprogramm von öffentlichen Führungen zur Ausstellung bis hin zu Gesprächen vor Ort und Online-Talks an. Zudem gibt es während der Ausstellung ausgesuchte Veranstaltungen für Kinder. Einzelheiten zu allen Veranstaltungen im Rahmen dieser Ausstellung wie Termine oder Tickets gibt es im Internet unter liebermann-villa.de/veranstaltungen.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
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