Ein Künstlerleben aus Papier
Haus am Waldsee zeigt eine neue Ausstellung mit Arbeiten von Tobias Rehberger

Der Künstler Tobias Rehberger und Kuratorin Katja Blomberg inmitten von Plastiken aus Papier. | Foto: Julia Hubernagel
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Tobias Rehberger zeigt im Haus am Waldsee bis zum 17. November seine erste Einzelausstellung in Berlin "Inspiration is a little town in China - in Papier". Dazu hat der Künstler in die Gebäudestruktur des seit 1946 bestehenden Kunsthauses eingegriffen und das Raumgefühl stark verändert. Ein verbindendes Element in der Ausstellung ist schnell gefunden: Alles ist aus Papier gefertigt.

„Ich wollte schon immer mal eine Papierausstellung machen“, sagt Tobias Rehberger. „Papier ist nicht nur geduldig, sondern auch großzügig.“ Er möge das etwas Unverbindliche im Papier, sagt er. Dabei ist der 53-Jährige eigentlich Bildhauer. So erwarten den Besucher nicht nur Gemälde und Drucke, sondern ebenso Skulpturen aus Papier. „Papier ist auch ein plastisches Material“, erklärt Kuratorin Katja Blomberg. 

An prominentester Stelle im Haus am Waldsee stehen drei bunt gefärbte Termitenhügel. „Mir hat die Idee gefallen, Termiten als Mitarbeiter zu haben“, sagt Rehberger. „Das sind die einzigen Tiere, die Zellulose verdauen können.“ In subtropischen Gegenden bauen die Insekten mithilfe verdauter Materialien aus einer Art natürlichem Pappmaché Belüftungsschächte für ihre darunterliegende Behausung, die einige Meter hoch sein können.

Rehbergers Werk durchzieht stets die Frage nach der Autorschaft. Wem gebührt die Anerkennung für ein Kunstwerk? In diesem Fall tritt er hinter den Termiten zurück, die an ihrer Plastik einige Jahre gearbeitet haben dürften.

Rehbergers Ausstellung wirkt auf den Betrachter erstaunlich heterogen. Nicht nur bietet sie einen Einblick in seine mittlerweile 30 Schaffensjahre, sie schwört auch verschiedenste Stimmungen hervor, auf die es sich einzulassen gilt. „Wir haben Türen zwischen den Räumen einbauen lassen“, erklärt Kuratorin Blomberg, sodass das Haus nicht wie gewöhnlich hell und offen daliegt, sondern sich aus lauter verschachtelten Zimmern zusammensetzt. Hinter jeder Tür wartet ein Gefühl darauf, den eintretenden Besucher neu zu überwältigen. „Man hat beinahe den Eindruck, in jedem der elf Räume stelle ein anderer Künstler aus“, erklärt Blomberg.

Eingangs der Ausstellung zeigt Rehberger Drucke und Aquarelle, darunter auch seine hinter Clownsmasken versteckten Prominenten, die er für eine Reihe des Fokus-Magazins anfertigte. Bereits im nächsten Raum herrscht jedoch Kargheit. Ein weißer Pappkarton steht inmitten des Zimmers. Er scheint sich zu bewegen, der „Alleinerziehende“. Hinter einer nächsten Tür wartet der Schrecken. Ein täuschend echt aussehender Kampfhund fletscht beim Eintritt des Besuchers die Zähne. Einige Räume weiter bekommt der Besucher plötzlich Gesellschaft. Ein jugendlicher Performer fischt Cannabis aus einem riesigen Glas, dreht damit Joint um Joint. „Und so endet letztlich das Papier“, schließt Rehberger, „als Zigarettenpapier.“

Worum geht es in „Inspiration is a little town in China – in Papier“? Einsamkeit und Schönheit, Inspiration und Absturz werden immer wieder thematisiert. Auch Sucht blitzt in der Ausstellung wiederholt auf.

Tobias Rehberger begeistert sich für Perspektiven. Wie sehen die Dinge in einem anderen Licht aus – und was ist eigentlich Licht? Rehberger erschafft Plastiken, bunt und aufwendig, darin sind Geschenke verpackt. Doch ist die Verpackung somit nicht das Kunstwerk, das eigentliche Geschenk? „Die Frage ist, wie wir mit den Dingen umgehen“, sagt Rehberger.

Der Professor für Bildhauerei an der Frankfurter Staatlichen Hochschule für Bildende Künste möchte hinter die Fassaden schauen, alles kontinuierlich anzweifeln. „Es geht um die Ungewissheit über das, was man Kunst nennt“, so Rehberger. Um das herauszufinden, verbrannte der Künstler sogar einmal all seine Kleidung, die er besaß, um aus der Asche Pigmente zur Herstellung von Farbe zu gewinnen. Auch der daraus entstandene „Große Akt in Winterlandschaft“ ist zu sehen.

Ausstellung "Inspiration is a little town in China - in Papier", bis 17. November, Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, Telefon 801 89 35, Öffnungszeiten: Di bis So 11-18 Uhr, Eintritt sieben, ermäßigt fünf Euro

Autor:

Julia Hubernagel aus Prenzlauer Berg

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