Konflikt zwischen Oberschicht und Großstadtberlinern am Wannsee
Wannsee. Villenbesitzer contra Ausflügler, die ins Strandbad strömen: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es mit der Ruhe im Grünen vorbei. Die neue Ausstellung in der Liebermann-Villa thematisiert den „Streit am Wannsee“.
Die Villenkolonie am Wannsee rühmte sich, einer der „vornehmsten und ruhigsten Wohnorte in der Nähe Berlins zu sein.“ Seit Ende des 19. Jahrhunderts gehörte sie zu den beliebtesten Orten des Berliner Großbürgertums. Bankiers, Industrielle und Unternehmer ließen sich Sommerresidenzen am Wannsee bauen, um der Hitze und dem Lärm der schnell wachsenden Großstadt zu entfliehen.
Für viele Künstler, darunter Max Liebermann, wurde das Haus im Grünen zu einer wichtigen Inspirationsquelle ihres Schaffens. Auch Maler wie Hugo Vogel und Philipp Franck nahmen sich Villen und Gärten zum Motiv.
Mit der Eröffnung der Wannseebahn 1874 jedoch rückte der See für Ausflügler aller gesellschaftlichen Schichten in die Nähe. Dann wurde 1907 das Strandbad Wannsee eröffnet – als Familienbad. Aus den Mietskasernen der Hauptstadt strömten die Berliner zu Tausenden in den Südwesten. Nicht nur zum Baden, sie belegten auch die umliegenden Ausflugslokale. Einer der bekanntesten Chronisten des Strandbadlebens war der Maler und Graphiker Heinrich Zille, der das muntere Treiben in zahlreichen Zeichnungen darstellte.
Die Villenbewohner fühlten sich bald gestört. Am 28. Januar 1912 ging deshalb ein vierseitiger Beschwerdebrief bei der königlichen Regierung in Potsdam ein. In diesem Brief protestierte eine Gruppe von 28 Villenbesitzern, darunter auch der Maler Max Liebermann, gegen „ruhestörendes Geräusch“ vom Strandbad und den Ausflugsgaststätten auf der gegenüberliegenden Wannseeseite. „Die seit einiger Zeit in Beelitzhof und im Familienbade eingerissenen Zustände machen (…) eine geistige Konzentration oder ein Ausruhen unmöglich“, klagten Liebermann und seine vornehmen Nachbarn. Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem auch der Verleger Fritz Springer, der Chemiker Franz Oppenheim und der Kommerzienrat Paul Herz.
Die Ausstellung „Streit am Wannsee“ stellt den Konflikt zwischen Villenbesitzern und Ausflüglern unter einen künstlerischen Aspekt. Werke von Max Liebermann, Philipp Franck, Hugo Vogel, Paul Paeschke, Heinrich Zille und anderen illustrieren die zwei Seiten des Lebens am Wannsee.
Einerseits zeigen die Bilder den Wannsee als Rückzugsort, den die Berliner Oberschicht für sich genießt. Auf der anderen Seite stehen Arbeiterfamilien, die den Wannsee als ihre „Badewanne“ erobern.
Die Vernissage in der Liebermann-Villa, Colomierstraße 3, beginnt am Sonntag, 9. Juli um 11 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 3. Oktober zu sehen. Die Öffnungszeiten sind täglich außer dienstags, 10-18 Uhr, Do/So 9-19 Uhr. Der Eintritt kostet acht, ermäßigt fünf Euro. uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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