Zum Glück nur eine Übung
DRK, THW und Messe Berlin proben den Katastrophenfall
Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk und die Messe Berlin samt Betriebsfeuerwehr haben am 4. August eine Notfallübung auf dem Messegelände absolviert. Die Ziele der sehr realistisch nachgestellten Katastrophe: Training der Einsatzkräfte und Koordination der Rettungsabläufe.
Wegen der Notbeleuchtung des Technischen Hilfswerks (THW) ist es halbdunkel, überall liegen Metalltrümmer. Blutüberströmte Menschen winden sich auf dem Boden, schreien vor Schmerzen, rufen verzweifelt nach Hilfe oder ihren Angehörigen. Manche Opfer der Katastrophe sieht man erst, als sich die Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben oder nur, weil sich unter den Trümmern etwas bewegt. Andere sind gut zu erkennen, sie haben eine der goldenen Wärmefolien der Ersthelfer übergelegt. Und wieder andere sitzen nebeneinander mit dem Rücken an einer Wand – die Augen starr vor Schreck. Sie haben die Sanitäter und Feuerwehrleute bereits geborgen und in Sicherheit gebracht, jetzt haben die Helfer alle Hände voll damit zu tun, sie zu beruhigen.
Szenario: Tribüne stürzt ein
Eine Katastrophe, aber zum Glück keine echte. Hier, in einer Halle der Messe Berlin, wird der Ernstfall geprobt. 75 freiwillige Mimen haben sich auf den Aufruf der Messe gemeldet, haben sich Platzwunden schminken und Verbände anlegen lassen. Das Szenario: Eine Tribüne auf einer gut besuchten Veranstaltung ist eingebrochen, der Strom ist ausgefallen, viele Verletzte.
Einteilung nach dem Ampelsystem
Hardy Häusler, Vorstandsvorsitzender des DRK Kreisverbandes Müggelspree, hat den Hut auf und sagt, auf was es bei der aufwendig inszenierten Übung ankommt: „In der ersten Phase nach der Katastrophe herrscht Chaos. Es besteht in der Regel ein ungleiches Verhältnis zwischen Einsatzkräften und Opfern. Für die als erstes eintreffenden Helfer ist der Job am schwersten. Sie müssen priorisieren und entscheiden: Wer kann noch laufen und schnell aus der Gefahrenzone gebracht werden? Wem muss am schnellsten geholfen werden?“ Häusler deutet auf die Frauen und Männer mit den roten Umhängetaschen. „Sie übernehmen die Sichtung und machen den Patienten Armbänder um das Handgelenk – nach dem Ampelsystem. So wissen die nachrückenden Sanitäter, wen sie dringend versorgen müssen.“
Im nächsten Schritt werden die Verletzten nach draußen gebracht. Eine Stunde, nachdem die Tribüne eingestürzt ist, sitzt dort eine schwangere Frau mit aschfahlem Gesicht an einer Säule. Eine Stunde später befindet sich schon ein halbes Dutzend Geretteter an der Sammelstelle, ihre Personalien werden aufgenommen, ihr Blutdruck gemessen.
„Hier gibt es alles, was es im Krankenhaus auch gibt“
Wen es schlimmer getroffen hat, der wird mit dem Krankenwagen eine Ebene weiter nach oben transportiert. Dort ist ein Behandlungsplatz eingerichtet. „Hier gibt es alles, was es im Krankenhaus auch gibt“, sagt Häusler. „Und hier wird nach der Behandlung auch entschieden, in welche Klinik der Patient gebracht werden muss.“
So realitätsnah wie möglich sollte dieser Krisenfall sein. Jede Menge Schrott wurde dazu in die Halle gekarrt und die freiwilligen „Opfer“ schreien nicht etwa, um ihr schauspielerisches Talent zu beweisen, sondern um die Einsatzkräfte in Stress zu versetzen. „So ist es in Wirklichkeit ja auch“, sagt Michael Frentzel vom THW-Landesverband Berlin, der schon bei einigen tatsächlichen Ernstfällen geholfen hat. Rund 175 Rettungskräfte und Helfer aus den Organisationen engagieren sich für die Notfall-Übung, hinzu kommen 50 Personen, um die Mitwirkenden zu versorgen, und Beobachter. "Zu 100 Prozent ehrenamtlich“, sagt Häusler. „Die Helfer des DRK sind zwar sehr gut ausgebildet, aber sie müssen im Training bleiben. Genauso wichtig sind die Zusammenarbeit der Rettungsdienste untereinander und die Koordination mit der Messe Berlin.“
Fünf Stunden lang dauert die Übung, um 16 Uhr sind alle Mimen gerettet und die Beobachter schließen ihre Notizbücher. Jetzt werden die Institutionen auswerten, analysieren, Schlüsse ziehen, die Köpfe zusammenstecken und sich Gedanken über Verbesserungen machen. Alles, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.