Erst verehrt, dann verachtet
Neue Sonderausstellung der Abguss-Sammlung Antiker Plastik der FU
Unter dem Titel „Verehrt! Verachtet! Vernachlässigt! Gipsabgüsse antiker Skulpturen“ zeigt die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität (FU) Berlin derzeit die sehr gegensätzliche Geschichte der Gipsabgüsse. Die Sonderausstellung wurde von Studierenden konzipiert.
Die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin umfasst circa 2100 Abgüsse griechischer und römischer Skulpturen. Sie dient der Lehre und Forschung an der Universität und soll als Museum die Skulpturen der Antike zugleich einem breiten Publikum zugänglich machen. Die Sammlung setzt die Tradition der berühmten und bereits 1696 begründeten Abguss-Sammlung fort, die im 19. Jahrhundert im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel und zuletzt von 1921 bis 1944 in der Friedrich-Wilhelms-Universität mit rund 2500 Abgüssen zu sehen war. Diese alte Sammlung wurde 1950/51 weitgehend zerstört.
„Wie kaum ein anderes Medium waren Gipsabgüsse Veränderungen in der Wertschätzung unterworfen“, sagt Lorenz Winkler-Horacek, Professor am Institut für Klassische Archäologie und Kurator der Abguss-Sammlung Antiker Plastik. Die Abgüsse wurden von Skulpturen direkt mithilfe von Negativformen abgenommen und geben somit die Form der Originale identisch wieder. Durch den weißen Gips erscheinen sie aber reiner und klarer. Diese „Reinheit“ führte besonders bei den Abgüssen nach antiken Skulpturen zu einer großen Verehrung. Der weiße Gips wurde im 18. Jahrhundert zu einem Leitbild des europäischen Klassizismus. Im 19. Jahrhundert erkannte man zudem die Möglichkeit, mit Abgüssen die Kunst der ganzen Welt umfassend zu sammeln.
Ganz anders dagegen im 20. Jahrhundert: Es entwickelte sich eine große Abneigung gegen die Gipse, die als Symbole eines veralteten Klassizismus und tote Kopien angesehen wurden. Große und berühmte Sammlungen wurden aus Verachtung vernachlässigt oder sogar zerstört. Die vielfältigen Chancen des „Mediums“ Abguss seien erst seit einigen Jahren wieder ins Blickfeld gerückt, so Winkler-Horacek.
Die gegensätzliche Geschichte der Gipsabdrücke ist bis zum 30. April in der Abguss-Sammlung Berlin, Schloßstraße 69b, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos zur Sammlung auf www.abguss-sammlung-berlin.de.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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