Helmut Krauß stillt den Wissensdurst der Grabstätten-Spotter
Heute geht es in die Nähe des Olympiastadions, zum städtischen Friedhof Heerstraße an der Trakehner Allee 1. Dort liegen viele Prominente begraben. Das und seine außergewöhnliche Gestaltung machen ihn bereits außergewöhnlich. Doch Leiter Helmut Krauß setzt noch einen drauf.
Regelmäßig führt er Besuchergruppen durch die engen, teilweise naturbelassenen Wege seines einst vom bedeutenden Gartenbaudirektor Erwin Barth geplanten Reiches – und dabei hat er eine Menge zu erzählen. Über die berühmten Persönlichkeiten, die einen Platz an den Stufen rund um den Sausuhlensee als ihre letzte Ruhestätte ausgewählt haben. Aber auch über unbekannte Menschen, die Gespräche mit ihnen zu Lebzeiten und mit ihren Angehörigen heute.
Zwei Fragen liegen einem unweigerlich auf der Zunge, wenn der 60-jährige Familienvater über sich und sein Wirken berichtet: Wie und warum wird man Friedhofsleiter und was bewegt einen, nebenher Führungen anzubieten, und das auch noch kostenlos? Krauß ist Gartentechniker, von der Ausbildung her liegt das zwischen Gärtnermeister und Gartenbau-Ingenieur. Die Affinität zu Ruhestätten stammt aus seiner Kindheit: „Ich komme aus einem 200-Seelen-Dorf in Unterfranken. Sehr christlich alles dort. Meine Oma hat mich zweimal pro Woche mit auf den Friedhof genommen, um die Verwandtschaft zu ,begießen’.“ Auch sein Grundschullehrer trug wohl zu seiner Berufswahl bei. „Bei Trauerzügen lief er mit uns immer vorneweg. Der Vorderste musste ein ziemlich großes Kreuz tragen – und konnte das dickste Trinkgeld einstreichen.“
Wegen seiner Frau, eine waschechte Berlinerin, verschlug es Helmut Krauß nach einer kurzen Zwischenstation im Rheinland dann in die Hauptstadt. 17 Jahre lang leitete er den städtischen „Friedhof II“ in Schöneberg, ehe er nach Westend wechselte. Dort ist er mittlerweile genauso lange tätig.
Die Idee mit den Führungen reifte nach und nach. Wie hoch das Interesse der Öffentlichkeit an den Bestattungsorten von prominenten Mitbürgern ist, wurde Krauß beim Tag des Friedhofs im Jahr 2008 bewusst. Da fluteten um die 70 Grabstätten-Spotter das Gelände und er hatte alle Hände voll zu tun, ihren Wissensdurst zu stillen. Seither bietet er die Führungen an.
Krauß macht das zum Ausgleich, sagt er, und weil es Spaß mache und er nette Leute kennenlerne. Seine Motivation liegt aber auch darin, die Menschen zu informieren. Nicht nur über die Geschichte der Verstorbenen, sondern auch über das Friedhofswesen an sich. „Es herrscht Unkenntnis darüber, was wir hier machen“, sagt er.
Einmal war seine Führung Teil des Kiezspaziergangs mit dem Bürgermeister. 100 Menschen hatten sich angekündigt. „Ich habe übers Megafon zu ihnen gesprochen, sie von einem der wenigen größeren Plätzen auf dem Friedhof zum nächsten laufen lassen und die Gräber mit blauen Luftballons gekennzeichnet, auf die es zu achten galt.“
Loriot ist auf dem Friedhof Heerstraße begraben, die Schauspieler Horst Buchholz und Klaus-Jürgen Wussow, Liedermacher Ulrich Roski, Dichter Joachim Ringelnatz und der Bildhauer Georg Kolbe auch – um nur einige Beispiele zu nennen. Wegen ihnen kommen die Menschen. Krauß ist selbst erstaunt, mit welcher Begeisterung die Besucher bei der Sache sind. „Einige haben sich ein Register angelegt, welcher Prominente auf welchem Friedhof liegt.“ Ihn stört die Schaulust nicht. Zum Tod hat er ein gelockertes Verhältnis, „weil er noch nicht das Ende ist“. Ein Glaube, der ihn mit viel Humor seine Nebentätigkeit machen lässt. „Ich mache den Leuten den Tod eben schmackhaft“, sagt er und lacht.
Er wird weiter Grabsteine auslaufender Pachtstellen retten, wenn sie es wert sind, er wird weiter recherchieren, wer hier liegt und was derjenige zu Lebzeiten gemacht hat, um seine Führungen mit immer neuen Zitaten lebendig zu halten. Und er wird den Teilnehmern seiner kleinen Exkursionen weiter kuriose Anekdoten von Exhumierungen erzählen. Am Donnerstag, 10. Mai, 14 Uhr und Sonnabend, 12. Mai, um 11 Uhr ist es wieder so weit, dann finden die nächsten Führungen über den Friedhof Heerstraße statt. Schwerpunkt werden beigesetzte Maler sein. Helmut Krauß freut sich schon.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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