Entdeckungen im Georg-Kolbe-Museum
Der ungewöhnliche Blick, der sich weder auf das Werk noch auf den Künstler, sondern auf sein Medium richtet, fördert überraschende Entdeckungen. So wird von Werken berichtet, die nur aus der Erinnerung des Modells überliefert sind. Die Skulptur selbst, Skizzen und Modelle, sind verschwunden. So ist es mit einer Plastik Georg Kolbes geschehen und so wissen wir von einer überlebensgroßen Brunnenfigur Emy Roeders allein aus dem Bericht ihres Modells der Loheland-Tänzerin Imme Heiner. Überliefert ist nur, dass das Werk in der Fasanenstraße entstand und die Tänzerin "kniend mit leichter Spirale und Rückenneigung den Kopf in einen erhobenen Arm eingebettet posierte", und dass das Werk auch fertiggestellt worden ist. Allein von den Modellen wissen wir, wie die Künstler lebten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Berlin die Moderne hervorbrachten. Einer der wenigen, der damals in den Pariser Ateliers fotografierte, war der Bildhauer Jakob Wilhelm Fehrle. Seine Bilder zeigen in der gedrängten Enge der Ateliers die Modelle neben den genialen Schöpfungen und dem Kanonenofen. Ein solches Bildnis ist Titelmotiv der Ausstellung: Darauf ist das Modell, das heute um die 120 Jahre alt sein müsste, in aller jugendlichen Frische zeitungslesend neben der nach ihr geschaffenen Plastik zu sehen.
An Geld mangelte es den Künstlern auch für die Bezahlung der Aktmodelle. So taten sie sich bisweilen zusammen, um gemeinsam ein Modell zu engagieren. Solche Abendaktveranstaltungen organisierte Heinrich Zille am Kurfürstendamm, die er sowohl mit dem Zeichenstift als auch mit der Kamera dokumentierte. Spannend ist zu sehen, dass er mit beiden Medien unterschiedlich umging. Bei der Pose für eine Götterallegorie tritt in der "dokumentierenden" Fotografie das Milieu seine Details verlierend in das Dunkel zurück, während die Zeichnung die Atmosphäre detailliert einfängt und sogar zeigt, dass die "Göttin" Socken trägt. Die Kunststudenten mussten sich sogar nur mit Fotografien der Modelle begnügen, womit ein weiteres neues Genre in Erscheinung trat, das der erotischen Fotografie. Weil die preußischen Sittengesetze die Arbeit mit lebenden Modellen in den staatlichen Kunstschulen fast unmöglich machten, wichen viele Künstler auf die privaten Studienateliers für Malerei und Plastik in der Kantstraße 159 aus. Davon zeugen ebenso Fotos und Berichte wie von den Künstleridyllen voller Frohsinn und Erotik.
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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