Genesen, aber unerwünscht: Wie psychisch Kranke am Wohnungsmarkt scheitern
Westend. Sie durchlaufen vorbildlich ihre Therapie, hoffen auf einen Neuanfang nach überstandenem Leiden. Doch wenn es darum geht, eine eigene Wohnung zu mieten, bleiben die Klienten des Fördervereins für psychisch Kranke der Freien Universität Berlin ohne jede Chance. Wer hilft ihnen?
Es geschieht nicht oft, dass Makler ihn ausreden lassen. „Tut mir leid, aber das passt nicht zu den Vorstellungen des Vermieters“, hört Gerd Neef meist. Und zwar genau dann, wenn er zu erkennen gibt, in wessen Namen er fragt.
Denn Neef sucht die neue Bleibe keineswegs für sich selbst, sondern hat die Absicht, einem seiner Klienten den Weg in ein eigenverantwortliches Leben zu ebnen. Als Sozialpädagoge des Fördervereins für psychisch Kranke der FU Berlin stehen er und die Geschäftsführerin des Vereins und Verwalterin der Rudolph Höhne´schen Stiftung Eva Lehnert immer wieder vor demselben Dilemma: Makler winken ab, Vermieter legen auf. An Menschen mit überstandenen Psychosen will in Charlottenburg-Wilmersdorf scheinbar niemand vermieten. Nicht, wenn ein Dutzend andere Kandidaten Bewerbungsmappen überreichen. „Es ist eine Art Stigma“, bringt es Lehnert auf den Punkt. Und wer wegen dieser Lage trotz Genesung weiterhin im Haus der Rudolph-Höhne'schen Stiftung am Rande der Villenkolonie Neu-Westend wohnen bleibt, belegt Raum für Erkrankte, die diesen betreuten Platz nötiger hätten. „Es kommt zu einem Therapiestau“, erklärt Lehnert.
Mindestens fünf der 33 Bewohner müssten schleunigst in eine eigene Bleibe ziehen, um ihre Rückkehr in die Gesellschaft zu besiegeln. „Wir sind ununterbrochen auf der Suche, aber es funktioniert einfach nicht mehr“, berichtet Lehnert von niederschmetternden Erfahrungen. Selbst städtische Wohnungsbaugesellschaften lassen keine Milde walten, und Anfragen über einschlägige Suchbörsen im Internet bleiben meist ohne Antwort. Der Mietmarkt mag für Geringverdiener Härten bereithalten. Für Menschen, die das Unglück hatten, an Schizophrenie zu erkranken, bleibt er auch nach der Besserung verschlossen.
Zu den grundsätzlichen Hindernissen kommt die angespannte Situation des Marktes in Charlottenburg-Wilmersdorf hinzu. Günstige Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen sucht man auch in anderen Sozialschichten oft vergebens. Und aus rechtlichen Gründen muss der Förderverein genau in dem Teil Berlins mieten, in dem er agiert. „Wir dürfen nur hier betreuen“, bedauert Neef.
Dabei soll es sich bei Klienten des Vereins um stille, verträgliche Nachbarn handeln. „Es kommen nur symptomfreie, stabile Personen in Frage“, versichert Lehnert. Und dass dieser Status weiter gilt, dafür würden Mitarbeiter eintreten, die ständig nach dem Rechten sehen. Selbst mit dem Angebot, sich mit eigenen Handwerkern der womöglich baufälligen Mietobjekte anzunehmen, konnten die Westender nicht punkten. Inzwischen versucht der Verein selbst als Vertragspartner aufzutreten, um Vermietern die Sorgen zu nehmen.
Ob das Prinzip Trägerwohnung fruchtbaren Boden findet? Lehnert und Neef wollen es jedenfalls versuchen und pappen in diesen Tagen Zettel mit ihrem Gesuch an Pfosten, auf dass jemand Erbarmen zeigt – gegenüber Menschen, die unverschuldet in Not gerieten. Und sich langsam wieder heraustasten. Zurück ins Leben. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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