Imkerei erfreut sich im Bezirk wachsender Beliebtheit
Aus einem entlegenen Winkel eines Westender Friedhofs dringen Geräusche, die dem Hörer unwillkürlich Bilder ins Bewusstsein rufen: wogende Wiesen, kraxelnde Bienen in wippenden Blüten. Sommer auf dem Land. Wie das summt!
Doch Jana Tashina Wörrle und ihr Freund Joachim Kieschke weilen nicht auf einem Bauernhof, sondern besuchen wie so oft einem Flecken Grün mitten in der Innenstadt. Hier, in der freien Ecke, die ihnen die Friedhofsverwaltung überlassen hat, gehen die Journalistin und der Ingenieur ihrem Hobby nach: Sie imkern. "Ich bin etwa vor einem Jahr bei Recherchen auf das Thema gestoßen." erzählt die Reporterin. "Und dann wollte ich es selbst probieren." Bei Joachim lag die Liebe zu den bedrohten Insekten ohnehin schon in der Familie. Also meldeten sich beide beim Imkerverein Charlottenburg-Wilmersdorf, kauften die nötige Ausrüstungen - und erhielten ihre ersten Bienenvölker als Geschenk.
Als goldbraune Wolke quellen die fleißigen Tiere nun aus einem Schlitz, umschwirren Jana und Joachim in friedlichem Gleichmut. Etwa alle zehn Tage sieht das Paar bei seinen "Haustieren" nach dem rechten. An drei Standorten schwirren ein halbes Dutzend Völker. Im übrigen waren Experimente mit Standorten jenseits der Stadtgrenze nicht von Erfolg gekrönt. "Die Bienen haben dort kaum etwas eingetragen", bedauert Joachim.
Während Linden, Kastanien und Ahorn in Charlottenburg dicht beisammenstehen, müssten sie auf dem platten Land blühende Baumriesen lange suchen. "Die Biene ist ein Waldtier. Und Berlin mit seinen vielen Parks ist für sie ein Paradies", zieht Jana den logischen Schluss.
Ob die Stadtluft den empfindlichen Insekten nicht schade? "Das ist ein Vorurteil", winkt Joachim ab. Tatsächlich seien Abgasrückstände wie Rußpartikel und Feinstaub für eine negative Auswirkungen viel zu grob. Als heikel gelten hingegen Pestizide auf Feldern. Die wirkliche Gefahr für das Wohl der eifrigen Brummer sind aber Milben - auf dem Land wie in der Stadt. Zur Bekämpfung nimmt man nach Möglichkeit ein natürliches Mittel: Aufgedampfte Ameisensäure lässt Schädlinge sterben und sichert das Überleben der Bienen im Winter. Der Herbst ist die Zeit der Parasitenkur. Und legt man den Drang der Bienen zugrunde, ihr Häuschen schon jetzt gegen Kälte zu versiegeln, scheinen die warmen Tage für dieses Jahr fast gezählt.
Jana und Joachim wissen ohnehin kaum noch, wo sie die vielen Honiggläser stapeln sollen. Satten 60 Kilogramm Honig pro Volk stehen in diesem Jahr nur fünf Stiche gegenüber. Das Verhältnis von Schmerz und Süße - es stimmt.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.