Kleinod mit bewegter Geschichte
Ruhwaldpark wird in Schuss gebracht, ist aber schon jetzt einen Spaziergang wert
Ständige Erreichbarkeit, der Trend geht zum Drittjob, jede Menge Menschen um einen herum. Das Leben in Berlin ist schön, aber auch anstrengend. Naherholungsgebiete gibt es durchaus genügend, aber nicht alle befinden sich auf dem Schirm gestresster Charlottenburger oder Wilmersdorfer. Ein echter Geheimtipp ist der Ruhwaldpark.
Wer einmal Abgeschiedenheit und Ruhe sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Mehr als 10 Hektar misst der gesamte Park, kleine Wege führen kreuz und quer durch den mit Buchen und amerikanischen Nadelhölzern bewachsenen Wald, an einem schönen Spielplatz und einer kleinen Teichanlage vorbei.
Verwunschen, etwas vergessen
Ein bisschen vergessen wirkt das Gelände zwischen Spandauer Damm, Ruhwaldweg und Spreetalallee, trotzdem oder gerade deshalb lohnt sich ein Spaziergang, und sei er nur in der Mittagspause. Dass nicht längst mehr Bürger hier ihre Akkus aufladen, überrascht. Denn den Park gibt es schon eine halbe Ewigkeit. In den Jahren 1867 und 1868 ließ der durch seine 1854 gegründete illustrierte Damen-und Modezeitschrift “Basar” zu Reichtum gelangten Kommerzienrat von Schaeffer-Voit das Schloss Ruhwald errichten, einen spätklassizistischer Bau, der später an einer Malzfabrik verkauft wurde und den Auf- und Niedergang eines Restaurantbetriebes erlebte. Auch eine Nervenheilanstalt war gegen Ende des 19. Jahrhunderts dort untergebracht, das Areal wurde als Kurpark genutzt. 1924 erwarb der Bezirk Charlottenburg das 5,6 Hektar große Anwesen mit Schloss und Park, 1936 das angrenzende Grundstück. 1937 wurden Schloss und Nebengebäude mit Ausnahme von Remise und Wirtschaftsgebäuden abgerissen und der Park der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. An der tiefsten Stelle wurde der Teich angelegt. Von 1936 bis 1942 gestaltete der Stadtgartendirektor Joseph Pertl die Gartenanlage um. 1950 wurde sie nach Kriegsschäden wieder hergestellt. Das verbliebene Kavalierhaus wurde 1952 abgetragen. Erhalten blieben lediglich die Arkaden, der Stall und die Villa Rheinberg, in der eine Kita eingerichtet wurde. Sie musste im Herbst 2003 wegen zu hoher Betriebskosten aufgegeben werden. Seit 2005 betreibt die jüdisch-orthodoxe Vereinigung Chabad Lubawitsch die Kindertagesstätte Gan Israel. Seit 1987 steht der Park unter Denkmalschutz.
Die Höhenlage 30 Meter über dem Spree- und Haveltal ermöglichte früher attraktive Rundblicke. Jetzt sind allerdings alle Aussichten zugewachsen.
Bauzaun schützt die Spaziergänger
Echtes Zeugnis der früheren Gebäude-Komposition im Ruhwaldpark liefern die Arkaden mit zwei Büsten des Kommerzienrates und seiner Frau sowie eine breite Freitreppe. Um das stark verwitterte und baufällige Gartendenkmal ist zur Sicherheit der Besucher ein Bauzaun gezogen. Traurig mutet das an, schade ist es ohnehin.
Das hat auch der Kulturausschuss so gesehen und hat während seiner jüngsten Sitzung einstimmig beschlossen, den Bezirk zur Sanierung der Kolonnaden und der Freitreppe und den Entwurf eines Konzeptes aufzufordern, das Gartendenkmal der Öffentlichkeit zugängig zu machen und den ohne Kavalierhaus und Schloss verloren wirkenden Bau besser in den Kontext seiner Umgebung zu setzen. „Ich stelle mir da zum Beispiel Schautafeln vor“, sagte Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) am Rande der jüngsten Ausschusssitzung. Auch ein kleiner gastronomischer Betrieb könnte zur Belebung des Parks beitragen, so der Tenor. Für die Sanierung der Arkaden, der Freitreppe und das Aufhübschen der Wege rechnet der Ausschuss mit Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Bekanntlich mahlen die Verwaltungsmühlen in gemäßigtem Tempo, in diesem Fall eine gute Gelegenheit, mit einem Besuch des Parks in diesem Herbst oder Winter die Basis für einen Vorher-Nachher-Vergleich zu legen – und ein bisschen Kraft zu tanken.
Die Historie des Ruhwaldparks ist auf der Internetseite des bezirklichen Umweltamtes aufgeschrieben und auch mit historischen Bildern dokumentiert.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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