Butler Clemens Tost kehrt zurück ins Hotel Intercontinental
Die Hand reichen - so fingen die Tage auch damals an. 15 Jahre alt war Clemens Tost, da entschied die Sauberkeit seiner Fingernägel darüber, ob es ein schmerzhafter Morgen werden würde. Bei dunklen Rändern setzte es Backpfeifen. Und wenn eine Locke aus der Kochmütze rutschte, sauste die Hand des strengen Vorgesetzten mit einer Schere scharf am Ohr vorbei.
So waren die Zeiten. Damals, als das Hotel Intercontinental noch Hilton hieß und der junge Clemens seinen Einstand gab, zusammen mit Zwillingsbruder Michael. "Sie haben nur Zwillinge eingestellt", erinnert sich Tost an die kuriose Praxis des Hauses.
Diesmal reicht er Peggy Westphal die Hand, als heutige Personalreferentin des Interconti. Diesmal ist er der Gast, nicht der Bedienstete. Denn als Westphal erfuhr, dass Tost seine erste Wirkungsstätte besuchen möchte, organisierte sie sofort einen Termin. Sie hat in diesen Stunden viel zu staunen, vor allem über die damalige Zwillingsregel.
Bei Clemens und Michael stellte sich die Frage: Wer steht am Kochtopf und wer an der Tür? Den Ausschlag gab Clemens Hobby. Er versetzte Gegnern Hiebe als Boxer des Clubs Tennis Borussia. Und weil er auch welche kassierte und man Gästen den Anblick von Pagen mit blauem Auge nicht zumuten wollte, war er der Mann, der Kartoffeln schälte, während Michael die Koffer trug. Gewechselt wurde trotzdem gern und oft. "Das Trinkgeld war einmalig. Die Leute wussten ja nicht, dass wir Zwillinge waren", erzählt der Westender vom Mitleid der Gäste beim Anblick eines jungen Pagen, der scheinbar niemals schläft.
Dass Bruder Michael, ebenfalls ein erfolgreicher Gastronom, den Tag der Rückkehr nicht mehr erlebte, ist für den 70-Jährigen ein einziger Schmerz. "Es war der Schock meines Lebens", erzählt er vom plötzlichen Tod des Zwillings vor zwölf Jahren. Allein ist Tost bei seinem Déjà-vu-Auftritt im Interconti trotzdem nicht erscheinen. An seiner Seite: der Schweizer Fotograf Hans Brendler. Er war ebenfalls im Hilton in die Welt des Glamours gestartet - und bereits von der Zwillingsklausel schon ausgenommen.
Gemeinsam mit Westphal erforschen die beiden alle wichtigen Ecken, erkennen manche sofort wieder, andere überhaupt nicht mehr. Das Interesse auf Seiten der Hotelleitung ist nicht minder groß. Der Küchendirektor und Manager Gerasimos Ferentinos setzen sich mit den Besuchern spontan an einen Tisch. Sie fragen mit echter Neugier: Wie war es damals?
Also erzählt Tost davon, wie man ihn wegen der Veilchen im Gesicht in die Küche schickte, wie er am frühen Abend anfing, Fasane zu rupfen, die es nachts zu servieren galt. Er spart die Härte nicht aus, den rauen Ton der Nachkriegszeit. Aber er spricht darüber wie einer, der froh darüber ist, sich das Rüstzeug geholt zu haben, um seinen Mann zu stehen in den höchsten Kreisen.
Er reichte Bohlen von Halbach Drinks, bediente Gunter Sachs und Axel Springer. Er arbeitete auch für diejenigen, die rechts hinten in den Limousinen sitzen und dem Fahrer zu verstehen geben, dass er das Tempolimit ignorieren soll. Mal aus reiner Ungeduld, manchmal der Verfolger wegen.
Dass Tost seine Fähigkeiten als Boxer nicht unerwähnt ließ, kam ihm oft zu Gute. "Manche meinten beim Vorstellungsgespräch: Da kann ich mir ja den Bodyguard sparen." Vielmehr als ums Austeilen ging es aber darum, grobe Umgangsformen nicht hinzunehmen: "Man aber muss immer die Contenance wahren." Besonders hart war das bei Karajan, "einem ganz schwierigen Menschen". Aber gerade die Schwierigkeiten waren es, die ihn zu einer Persönlichkeit formten, die nichts mehr umhaut. Man darf von Clemens Tost noch manches erwarten. Nur nicht, dass er boxt.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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