Wird der Lutherplatz bald zum Kollwitzplatz? Diskussion über bezahlbare Mieten
Brauchen Spandaus Kieze mehr bezahlbare Wohnungen? Mietervertreter, Gewerkschafter und Anwohner diskutieren und haben eine klare Antwort darauf.
Mietshäuser werden verkauft. Der neue Eigentümer modernisiert und die Mieten verteuern sich. Altmieter ziehen aus, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können. Doch günstiger Wohnraum ist schwer zu finden.
Es gibt unzählige Fälle von Mieterverdrängung – auch in Spandau. Beispiel Spandauer Burgwall 7 und Straßburger Straße 27a bis 30 in der Wilhelmstadt. Dort flatterte den Mietern kurz vor Weihnachten die Modernisierungsankündigung des neuen Vermieters mit einer Mietsteigerung um 75 Prozent ins Haus. Die Wohnsiedlung An der Kappe im Falkenhagener Feld ist ein weiteres Beispiel. Mieter sollen dort nach einem Eigentümerwechsel jetzt 59 Euro mehr Miete zahlen, berichtet eine Anwohnerin. „Warum tut die Politik nichts, um alteingesessene Mieter zu schützen“, fragt sie in die Runde.
Die „Runde“ sind knapp 20 Spandauer, die am 8. März in die Melanchthon-Kirchengemeinde gekommen sind. Der Arbeitskreis „Soziales Wohnen“ Spandau hat zum Thema „Bezahlbare Mieten im Kiez“ geladen. Das Interesse ist offenkundig geringer als erwartet, obwohl Bestandsmieter auch in Spandau mit steigenden Mieten zu kämpfen haben, wie Jürgen Wilhelm vom Berliner Mieterverein erklärt. Wilhelm sitzt zusammen mit Peter Keibel vom Spandauer Kreisverband der IG Bau, Christian Fromm vom DGB (KV Spandau) und den SPD-Bezirksverordneten Christian Haß und Ina Bittroff auf dem Podium. Alle zusammen fordern für Spandau mehr bezahlbaren Wohnraum. „Viele Wohnungen sind für normale Mieter, Familien oder Senioren schlicht nicht mehr finanzierbar“, fährt Jürgen Wilhelm fort. „Immer mehr Wohnungen werden in Eigentum umgewandelt, Sozialwohnungen verschwinden und bezahlbarer Wohnraum droht Mangelware zu werden.“
Mietwohnungen werden zu Eigentumswohnungen
Laut Mietspiegel, Stand März 2018, liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Berlin derzeit bei 12,09 Euro. In der Wilhelmstadt sind es schon zehn, in den Ortsteilen Spandau und Siemensstadt knapp über neun Euro. Ina Bittroff, die dem Stadtentwicklungsausschuss in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vorsitzt, hat weitere Zahlen mitgebracht. Demnach wurden seit 2016 insgesamt 119 Mietwohnungen in Spandau in Eigentumswohnungen umgewandelt. Für die Wilhelmstadt seien bis Vorjahresende 204 solcher Anträge gestellt worden. Stadtrat Stephan Machulik (SPD) warnt aus dem Publikum vor Entwicklungen wie im Prenzlauer Berg. „Wenn wir nicht aufpassen, wird der Lutherplatz zum Kollwitzplatz. Dort warten Immobilienfirmen nur auf die Schließung des Flughafens Tegel.“
Dass etwas passieren muss, darüber sind sich alle einig, auch über das Wie: mehr Sozialwohnungen bauen – Spandau hat aktuell noch 11 000 davon – und Milieuschutz-Satzungen für gefährdete Gebiete erlassen. „Diese Instrumente, die Mieter vor Verdrängung schützen, gibt es in anderen Bezirken schon längst“, sagt Jürgen Wilhelm. „Nur im Bezirksamt Spandau will sich keiner so richtig damit befassen.“ Dabei gebe der Milieuschutz den Bezirksämtern einige Steuerungsvorteile in die Hand. „Zum Beispiel das Vorkaufsrecht für Mietshäuser, die an privat verkauft werden sollen“, sagt Wilhelm. „Oder das Recht, die Genehmigung zu verweigern, wenn Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt werden sollen.“
Für die SPD stellen Ina Bittroff und Christian Haß klar: „Wir fordern grundsätzlich bei jedem neuen Bauprojekt in Spandau mindestens 30 Prozent bezahlbaren Wohnraum, weil sich Krankenpfleger, Verkäuferinnen oder Polizistinnen keine teuren Neubauwohnungen leisten können.“ Zum Milieuschutz hat die SPD in der März-BVV zwei Anträge für die östliche Wilhelmstadt und den Lutherplatz gestellt. Die Linken wiederum wollen, dass das Bezirksamt prüft, welche Kieze in Spandau einen Milieuschutz brauchen. Und: Im Bezirk hat sich auf Vorschlag des Kreisverbandes der Grünen ein Runder Tisch zum Milieuschutz gegründet.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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