Politiker im Praxistest: Kai Wegner besucht nach Gerichtsurteil eine Kiez-Apotheke

Kai Wegner im Praktikum: Nicole Häußler führt den Politiker durch den Apotheker-Alltag und spricht über ihre Zukunftsangst. | Foto: Ulrike Kiefert
  • Kai Wegner im Praktikum: Nicole Häußler führt den Politiker durch den Apotheker-Alltag und spricht über ihre Zukunftsangst.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Wilhelmstadt. Ausländische Versandapotheken sind nicht mehr an die deutsche Preisbindung für Medikamente auf Rezept gebunden. Was bedeutet das für die Kiez-Apotheke? Der Bundespolitiker Kai Wegner (CDU) wollte es genau wissen.

Wenn Apothekerin Nicole Häußler auf Politiker trifft, sind sie meist ein Pflegefall. Einer jedoch kam diesmal nicht als Patient. Kai Wegner erschien zum Praktikum. Er warf sich den weißen Kittel über und erfuhr einen Tag lang, dass in einer Apotheke viel Heilberuf steckt. Vor allem aber wollte der Spandauer CDU-Bundestagsabgeordnete am 6. Februar aus erster Hand wissen, wie die Situation in der Melanchthon-Apotheke in der Pichelsdorfer Straße vor Ort ist.

Denn Apotheker wie Nicole Häußler beschäftigt gerade ein brisantes Thema: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente für ausländische Versandapotheken gekippt.

Das bedeutet, dass DocMorris und Co beim Versandhandel vom deutschen Apothekenverkaufspreis abweichen dürfen und zwar nach oben wie nach unten. Auch dürfen sie anders als deutsche Apotheken bei Bestellungen Boni gewähren. Die Verbraucher, besonders chronisch Kranke, die nach preisgünstigen Medikamenten suchen, dürfte das erst mal freuen. Doch langfristig kann das Urteil böse Folgen haben.

Umsatz: 70 Prozent sind Medizin auf Rezept

„Es bedroht die Existenz meiner Apotheke“, stellt Inhaberin Nicole Häußler nüchtern fest. Denn gerade die kleineren Kiez-Apotheken könnten den Preiskampf mit den Online-Anbietern wohl nicht überleben. Die Melanchthon-Apotheke macht ihren Umsatz immerhin zu 70 Prozent mit Medizin auf Rezept. Zudem ist der Versandhandel kein Ersatz für die Leistung einer Apotheke vor Ort, sagt Häußler. „Wir beraten, informieren, erklären, verleihen, helfen, prüfen, stellen her und reden mit den Kunden.“ Das sei online nicht möglich. „Uns gibt es persönlich und das täglich.“ Sollte die Preisbindung für ausländische Versandhändler tatsächlich fallen, müsste Nicole Häußler langfristig Personal entlassen, Ausbildungsplätze, Beratungen und Nachtdienste streichen, um Kosten zu sparen. Bundespolitiker wie Kai Wegner sollten sich deshalb für ein Versandverbot rezeptpflichtiger Medikamente einzusetzen.

Andere Länder machen es erfolgreich vor

„Daran arbeiten wir politisch bereits“, informierte Kai Wegner. So habe Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) das Versandhandelsverbot vorgeschlagen und bereite ein entsprechendes Gesetz vor, was er unterstütze, so Wegner. Auch andere EU-Länder wie Frankreich, Belgien und Italien hätten den Versandhandel erfolgreich verboten. Außerdem betonte Kai Wegner, wie wichtig die wohnortnahe Versorgung sei. „Vom Supermarkt über die Bank bis hin zum Arzt und Apotheker sollte jeder in seinem Kiez alles vorfinden, was er zum Leben braucht.“ Gerade wenn man krank ist, seien kurze Wege wichtig. „Da kann man nicht bis zum nächsten oder übernächsten Tag auf sein Medikament warten.“ Für das Versandhandelsverbot liegt eine Unterschriftenliste in der Melanchthon-Apotheke aus. Kai Wegner hat schon unterschrieben. uk

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.689× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.034× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.651× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.560× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.