Klingsöhr-Gruppe meldet Vollvermietung der Wilhelmstraße 23
Ärztehaus an historischer Adresse
Eine Immobilie konnte erfolgreich vermarktet werden. Diese Nachricht ist eigentlich nichts Besonderes – es sei denn, es handelt sich um ein besonderes Objekt.
Vor kurzem meldete die Klingsöhr-Unternehmensgruppe die Vollvermietung ihres Neubaus an der Wilhelmstraße 23. Das viergeschossige Gebäude wird ein Ärztehaus. Ankermieter sind vor allem ein Radiologe, der allein über 800 der insgesamt mehr als 2200 Quadratmeter Fläche nutzt. Außerdem eine Augenfacharztpraxis mit OP-Bereich, die in das gesamte zweite Obergeschoss einzieht. Im Juli ist die Eröffnung geplant.
Im Herbst 2020 gab es die Möglichkeit, das damals fast fertige Ärztehaus zu besichtigen. Firmenchef Stefan Klingsöhr hatte gerade den Abschluss mit der Radiologie als erstem Mieter getätigt. Er führte durch die Räume und Etagen, verwies auf barrierefreie Zugänge und flexible Grundrisse für das geplante Ärztehaus. Dass sich die Immobilie auch für andere Zwecke geeignet hätte, zeigte sich spätestens auf der Dachterrasse und ihrem Panoramablick. Sich ein Restaurant mit großzügigem Außenbereich vorzustellen, brauchte nicht viel Phantasie.
Oder auch als Bürogebäude. Denn für das Objekt interessierte sich auch die AfD, um hier wohl die Bundeszentrale einzurichten. Stefan Klingsöhr machte allerdings klar, dass er mit dieser Partei nicht ins Geschäft kommen wolle. Egal, ob als Mieter oder Käufer. Eine Haltung, die ihm viel Respekt eingebracht hat.
Dazu will sich Stefan Klingsöhr heute gar nicht mehr groß äußern. Er habe sich eher darüber gewundert, dass es diese Anfrage überhaupt gegeben habe, da er mit der Immobilie ohnehin etwas anderes vorhabe.
Der Immobilieninvestor kennt natürlich ebenfalls die Geschichte des Areals, auf dem auch sein Neubau steht. Dort befand sich bis Ende der 1980er Jahre ein in wilhelminischer Zeit errichtetes 600-Zellen-Gefängnis.
Bekannt wurde der Bau vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, als hier einige NS-Kriegsverbrecher einsaßen. Etwa Albert Speer und Baldur von Schirach, die 1966 nach 20-jähriger Haft freikamen. Der letzte Insasse war Rudolf Heß. Der einstige "Stellvertreter des Führers" wurde in Nürnberg zu lebenslänglich hinter Gittern verurteilt. Er starb dort 1987, 93-jährig durch Selbstmord. Nach seinem Ableben wurde das Gefängnis abgerissen. Es entstand dort unter anderem ein Einkaufszentrum.
Der Todestag von Heß am 17. August war in den vergangenen Jahren regelmäßiger Anlass für einen Mummenschanz, bei dem Neonazis zum Gelände der ehemaligen Strafanstalt zogen. Parteien, Organisationen, die Spandauer Zivilgesellschaft setzte dem ein "Fest der Demokratie" entgegen. Und im vergangenen Jahr gab es als weiteres Standortmarkierung die Benennung der Grünanlage vor dem Areal in "Platz der Weißen Rose". Zur Erinnerung an die Widerstandsgruppe rund um die Studenten Hans und Sophie Scholl, die 1943 hingerichtet wurden. Direkt hinter dem Platz befindet sich unter dem Namen "Wilhelm23" das Ärztehaus.
Die Immobilie steht für den Investor vor allem für Gegenwart und Zukunft. Verschiedene Möglichkeiten medizinischer Versorgung an einem Ort außerhalb der Innenstadt würden bereits eine große Qualität bedeuten. Die Mieten seien hier noch günstiger. Und der Bau stehe schließlich auch dafür, dass trotz Corona und dem Trend zu mehr Home-Office Flächen für gemeinschaftliches Arbeiten sowie für viele Dienstleistungen gebraucht werdeb. Erst recht gelte das natürlich für Arztpraxen aller Art.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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