Viel Lob, wenig Rückenwind
BVV Reinickendorf überweist Einwohnerantrag zum Kabon-Gelände in die Ausschüsse
AKTUALISIERUNG des Artikels vom 10. Januar 2024
Lob und Anerkennung erhielt die Bürgerinitiative (BI) zur Erhaltung des Wittenauer Stadtwaldes für ihr Engagement parteiübergreifend. Doch inhaltlich, das wurde in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 13. Dezember schnell deutlich, wird es die BI schwer haben, eine Mehrheit für ihren Einwohnerantrag zu finden. Dieses Meinungsbild zeigte sich sehr deutlich. Der Antrag wurde indes zur weiteren Beratung in mehrere Ausschüsse überwiesen.
Die Bürgerinitiative wehrt sich gegen die bisherige Form der geplanten Bebauung auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenheilanstalt (Kabon) an der Oranienburger Straße. Dort sollen rund 600 neue Wohnungen errichtet werden. Das Vorhaben der Wohnungsbaugesellschaft Gesobau gefährde den Lebensraum der dortigen Wildtiere und vernichte bis zu 244 Bäume, erklärten die Vertreter der BI. Beklagt wurde außerdem, dass es keinen ordentlichen Bürgerbeteiligungsprozess gegeben habe. In dem Einwohnerantrag wird das Bezirksamt Reinickendorf ersucht, „ein Bebauungsplanverfahren für das Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik einzuleiten und darauf einzuwirken, dass bauliche Maßnahmen inklusive Baumfällung unterlassen werden, um die Erreichung der Ziele des Planverfahrens zu sichern.“
Bereits im März 2023 hatte sich die Initiative mit einer Eingabe an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt. Ende Oktober folgte der Einwohnerantrag in der BVV. Dafür waren mindestens 1000 gültige Unterschriften nötig. Diese Hürde wurde mit 1443 Unterstützern deutlich übersprungen, sodass die BVV sich mit dem Einwohnerantrag beschäftigen muss.
In ihren Reden dankten die Vertreter der Fraktionen der Bürgerinitiative für ihr Engagement. Sie hoben zudem die Bedeutung des Einwohnerantrages hervor, der erst der dritte in der Geschichte der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf ist. Auch räumten sie ein, dass nicht alles bei diesem Bauprojekt optimal gelaufen sei.
Im aktuellen Stadium, so lautete allerdings das Hauptargument fast aller Verordneten, könne und dürfe das Vorhaben nicht mehr aufgehalten werden. Dafür wollte niemand die Verantwortung übernehmen. So sah die SPD-Bezirksverordnete Angela Budweg zum Beispiel zwar „ein Spannungsfeld zwischen dringend benötigtem Wohnraum und Klimazielen“. Am Ende aber stünden hinter jeder Wohnungssuche Schicksale von Menschen. Schon deshalb müsse der Neubau vorangetrieben werden. Diese Argumentation vertraten auch die Grünen. Der Bezirk stehe in der Verantwortung, Wohnungsbau als Teil der sozialen Daseinsvorsorge zu unterstützen, erklärte ihr Sprecher Andreas Rietz. Jetzt noch einen Bebauungsplan für das Kabon-Gelände einzuleiten, „halten wir grundsätzlich nicht für zielführend“.
Beim Thema Bebauungsplan ging es gleichzeitig in die Vergangenheitsbewältigung. 2019 war ein Antrag von SPD, Grünen und Linken auf ein B-Planverfahren in der BVV gescheitert. Vor allem der damalige Bürgermeister Frank Balzer (CDU) hielt das nicht für nötig. Die Entscheidung habe damals unter dem Motto gestanden, möglichst schnell möglichst viele Wohnungen, lautete die Einordnung der CDU-Bezirksverordneten Sylvia Schmidt. Das habe sich in puncto Tempo so nicht erfüllt. „Wir würden uns eigentlich wünschen, dass wir uns erst jetzt mit dem Thema beschäftigen“, meinte sie ebenfalls. Weil das aber nicht mehr möglich sei, sollte jetzt nach vorne geschaut und der Wohnungsbau in verträglichem Umfeld realisiert werden.
Der Einwohnerantrag steht am 21. Februar in der Sitzung des Ausschusses für Ordnung, Umwelt, Grünflächen und Natur auf der Tagesordnung. Weitere Beratungen soll es im Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Teilhabe und Gleichstellung, im Ausschuss für Mobilität und Tiefbau sowie im Ausschuss für Stadtentwicklung geben.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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