Tradition contra Moderne im Fischtal

Die eine Hälfte des Poelzig-Doppelhauses ist originalgetreu saniert. | Foto: Kirsten Hertzberg/Gagfah
  • Die eine Hälfte des Poelzig-Doppelhauses ist originalgetreu saniert.
  • Foto: Kirsten Hertzberg/Gagfah
  • hochgeladen von Ulrike Martin

Zehlendorf. Auf der Nordseite des Fischtalparks entstand 1928 eine Siedlung für den Mittelstand. Die Häuser waren als eine bevorzugte Wohnlage für Angestellte gedacht. Ein Beispiel dafür ist das Poelzig-Haus Am Fischtal 72 a – vom Bezirksamt zum Denkmal des Monats Oktober gewählt.

Die Versuchssiedlung Am Fischtalgrund ließ die Gagfah (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten) unter der Leitung von Heinrich Tessenow errichten. Er war einer der bedeutendsten Vertreter der Reformarchitektur, die sich zwar vom Historismus abwandte, aber an traditionellen Materialien und Bauweisen festhielt.

Typisch für die Häuser sind die geneigten Dächer und die parallel zur Straße verlaufenden Firste. Die meisten Fassaden sind hell verputzt. Knie- bis mannshohe Mauern verbinden die Häuser und trennen die privaten Gärten von den zur Straße offenen Rasenflächen. Merkmal Nummer 1 aber ist das Satteldach.

Im Kontrast dazu standen die Häuser gegenüber dem Fischtalpark, zur gleichen Zeit von der Gehag (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) erbaut. Unter der Leitung von Bruno Taut, Hugo Häring und Otto Rudolf von Salvisberg entstand die avantgardistisch orientierte Onkel-Tom-Siedlung mit farbintensiven Fassaden und Flachdächern.

Damit begann der legendäre Zehlendorfer Dächerkrieg: Spitzdach gegen Flachdach, Tradition contra Moderne. Die Dachform wurde zum Synonym für unterschiedliche Erwartungshaltungen. Das Satteldach stand für die Sehnsucht nach Geborgenheit, aber auch für flächenverschwendendes Bauen in einer Zeit der Wohnungsnot, das Flachdach hingegen für Fortschritt und Aufgeschlossenheit.

Trotz des Siedlungsthemas wurden die Gagfah-Häuser zu Unikaten mit variierenden Formen und Größen und einer freien Grundrissgestaltung. Das gilt auch für das Doppelhaus des Architekten Hans Poelzig. Setzte er zuvor auf avantgardistisches Bauen, realisierte er im Fischtalgrund konservative Forderungen. Er bewies jedoch auch, dass die Vorgaben zu Materialien und Dachform nicht zwangsläufig Heimatstil bedeuten müssen, sondern auch Raum für Kreativität und Eigenständigkeit. So sind am Poelzig-Haus klare Linien, horizontal gereihte Fenster und durch Klinker betonte Konturen zu finden.

Die rechte Hälfte des Doppelhauses ist jetzt originalgetreu saniert und zeigt sich als ureigener Poelzig. Nach diversen Veränderungen in der Vergangenheit sind die ursprünglichen Details wieder zu sehen.

Jörg Rüter, Denkmalschutzbehörde/uma

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 712× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.002× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 969× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.324× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.