„Vermisst. Der Turm der blauen Pferde"
Zehlendorf. Vor über 80 Jahren ist es verschwunden, das Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“ von Franz Marc. Das 1913 entstandene Bild gilt als eines der wichtigsten im deutschen Expressionismus und als Hauptwerk des Künstlernetzwerks „Blauer Reiter“.
In der aktuellen Ausstellung im Haus am Waldsee geht es um den Verlust des Bildes, aber auch um zeitgenössische Künstler, die die Geschichte des Gemäldes in eigenen Werken reflektieren. Die Schau ist als Doppelausstellung mit der Staatlichen Graphischen Sammlung München konzipiert.
Den Turm der Blauen Pferde schuf Franz Marc (1880-1916) im Jahr 1913. Er stellte das Gemälde in der Galerie Der Sturm vor. Es avancierte in der Weimarer Republik zu einer Art Kultbild der aufgeschlossenen bürgerlichen Gesellschaft. Seit 1919 befand es sich im Besitz der Berliner Nationalgalerie und war bis 1936 im Kronprinzenpalais Unter den Linden zu sehen.
Im Juli 1937 waren die blauen Pferde in der Schau „Entartete Kunst“ in München ausgestellt. Nach Protesten des deutschen Offiziersbundes gegen die Diffamierung eines für das Vaterland gefallenen Leutnants – Marc kam in Verdun ums Leben – wurde das Bild bereits nach einer Woche aus der Schandausstellung entfernt und in ein Lager nach Köpenick gebracht.
1938 ließ Hermann Göring 13 Gemälde aus dem Bestand der „entarteten Kunst“ beiseiteschaffen, darunter auch den „Turm“. Das Gemälde sollte gegen Devisen ins Ausland verkauft werden, was offenbar nicht gelang.
Seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird über den Verbleib des Gemäldes spekuliert. So soll es in Görings Dienstvilla am Leipziger Platz gelagert worden sein oder aber auch im Preußischen Staatsministerium gehangen haben.
Glaubwürdig überliefert ist, dass das Bild in den ersten Nachkriegstagen durch vermutlich russische Offiziere ins heutige Haus am Waldsee gebracht wurde. Dort begann 1946 der Ausstellungsbetrieb und Marcs Pferde kamen ins Nachbargebäude, ins heutige Haus der Jugend Zehlendorf.
Seit 1949 gilt das Gemälde als verschollen. Das einzige, was von dem 200 mal 130 Zentimeter großen Werk blieb ist eine postkartengroße Skizze, die Marc zum Jahreswechsel 1912/13 an seine Dichterfreundin Else Lasker-Schüler schickte. Sie befindet sich in der Staatlichen Graphischen Sammlung München.
Für die Doppelausstellung präsentieren zeitgenössische Künstler mit Mitteln der Malerei, der Fotografie, Installation, Bildhauerei und Literatur Reflexionen zum Turm der Blauen Pferde. So hat zum Beispiel Norbert Bisky das Gemälde kopiert, um es als halbverbrannte „Ruine“ zu zeigen. Via Lewandowsky erinnert mit einer Pferdeskulptur an das Werk, und Julia Franck hat einen Text über das Verhältnis zwischen Marc und Lasker-Schüler verfasst. uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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