Döner, Mauerreste und Lederhosen

Mochten sich auf Anhieb: Die Richters und ihr Familienmitglied auf Zeit Gaspar (2. v. l.) | Foto: Ulrike Martin
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  • Mochten sich auf Anhieb: Die Richters und ihr Familienmitglied auf Zeit Gaspar (2. v. l.)
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Zehlendorf. „Ist der echt?“ war Gaspars Frage an Heiligabend bei Familie Richter. Der 17-Jährige kennt zwar Weihnachtsbäume, aber bisher nur solche aus Plastik. Gaspar kommt aus Chile und ist Austauschschüler. In Zehlendorf hat er für ein Jahr seine neue Heimat gefunden. Und den ersten echten Tannenbaum gesehen.

Gaspar Masihy, aufgewachsen in Santiago de Chile, hat eine 19-jährige Schwester, die zum Austausch ein Jahr in die USA gegangen ist. Das wollte der „kleine“ Bruder auch. Gaspar bewarb sich bei der gemeinnützigen Organisation Youth for Understanding (YFU) und landete im August 2014 in Zehlendorf bei einer Gastfamilie.

Die 16-jährige Tochter der Richters, Fiona, ist ebenfalls Austauschschülerin, derzeit auch in den USA. „Ihr Zimmer war frei, also dachten wir, warum nicht einen Gastschüler aufnehmen?“, sagt Anja Richter. „Obwohl ich anfangs Bedenken hatte“, gibt Michael zu, „man weiß ja nicht, wie das Zusammenleben funktioniert.“
Vor allem der zwölfjährige Sohn Fabian war dafür. „Ich wollte mal einen großen Bruder haben.“ Wie Brüder fühlen sich die beiden auch, enger verbunden als Freunde. Sowieso waren sich alle von Anfang an sympathisch, bereits beim ersten Kontakt über Skype. „Wir hatten schnell das Gefühl, ihn schon gut zu kennen“, erinnert sich Anja.

Für Gaspar war klar, dass er nach Deutschland wollte. „Ich interessiere mich sehr für die deutsche Kultur und die Traditionen“, erzählt er. Vielleicht, weil seine Großtante Deutsch spricht? Schon in Santiago hat er angefangen, die Sprache zu lernen, im Zehlendorfer Arndt-Gymnasium seine Kenntnisse vertieft. Er hat sogar Goethe gelesen. Und er konnte ein Klischee entkräften: „Ich dachte, in Deutschland gibt es ganz viele Outfits s wie in Bayern.“ Lederhosen hat er also nicht gesehen in Berlin.
Die Hauptstadt gefällt ihm, besonders beeindruckt war er von der East Side Gallery. „Ich habe zu Hause im Geschichtsunterricht einiges über die Mauer gelernt.“ Dass er in Zehlendorf wohnt, sei gut, ruhig und grün. „Neukölln ist nicht so mein Ding.“
Was die unbekannten kulinarischen Genüsse angeht, stand für Gaspar selbstverständlich Döner und Kuchen auf dem Speiseplan. „Mag ich gerne, ich hab alles probiert.“ Andererseits musste auch „seine“ Familie ran. Gaspar grillte Fleisch und Fisch für sie, schön scharf gewürzt wie in seiner Heimat. „Es war okay, allerdings ist das Fischgericht Ceviche nicht so unser Fall“, sagt Anja Richter. „Wir werden es aber noch einmal probieren.“

Gaspars Aufenthalt endet im August. Was nimmt er mit? „Alle Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren gut. Ich bin glücklich in meiner Gastfamilie, fühle mich als Mitglied, nicht als Gast.“ Er will in Chile Ingenieurwissenschaften studieren und spätestens dann ein Auslandssemester in Deutschland einlegen. Anja, Michael und Fabian Richter sind sich einig: „Gaspar ist uns jederzeit willkommen.“ Den Abschied wollen sie sich mit einem gemeinsamen Urlaub leichter machen: „Unsere Tochter kommt demnächst zurück, dann fahren wir alle nach Cornwall“, sagt Michael.
Trotz der guten Erfahrungen kommt ein neuer Gastschüler nicht infrage. „Keiner wird an Gaspar heranreichen“, davon sind die Richters überzeugt.
Mehr Infos über die Austauschorganisation Youth for Understanding:yfu.de.

uma

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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