Heimat ist Kindheit: Reinhild Paarmann erinnert sich an ihre Zeit im Hamerlingweg

Reinhild Paarmann als junge Mädchen in Zehlendorf. | Foto: privat
  • Reinhild Paarmann als junge Mädchen in Zehlendorf.
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Lokalredaktion

Zehlendorf. Berlin ist meine Heimat, nicht nur, weil ich in Tempelhof 1950 geboren wurde und dann in verschiedenen Bezirken lebte - seit fünf Jahren in Treptow-Köpenick -, sondern weil Berlin mir die Kultur bietet, ohne die ich nicht leben kann.

Die längste Zeit meines Lebens habe ich, als ich zweieinhalb Jahre alt war bis zum 10. Lebensjahr, mit meiner Mutter und meinen beiden Brüdern in Zehlendorf im Hamerlingweg 5 gewohnt. Es war eine Mansarde von 2-Zimmern mit einem Balkon in einem Haus, wo unsere Vermieterin Frau Bünger allein in sieben Zimmern mit Garten wohnte. Da erwachte mein soziales Empfinden. Ich fand das sehr ungerecht. Umsonst bin ich nicht Sozialarbeiterin geworden!

Den Garten durften wir nicht betreten. Als wir Frau Bünger mal eine Freunde machen wollten und in ihrer Abwesenheit den gemähten Rasen zusammenrechten, war sie sehr böse mit uns, denn das Gras wäre noch nicht trocken gewesen. Wie hätten wir das als Stadtkinder wissen können?

Aber Frau Bünger war auch nett, wenn sie uns zu Weihnachten wunderbar duftende Hafer-Kekse, die sie selbst backte, hochbrachte und ein altes Puzzle schenkte, das nach modrigem Staub roch. Seitdem mag ich keine alten Bücher, da sie genauso riechen.

Frau Bünger kündigte uns jeden Monat, weil wir zu laut wären. Dabei ging meine Mutter mit uns häufig raus, wir wanderten nach Moorlake, Nikolsköje, mit der Fähre zur Pfaueninsel, an den Wannsee. Wir Kinder hielten uns viel im nahen Laehr-Park auf, jetzt Leo-Beck-Park genannt. Aber wir ärgerten auch Frau Bünger, indem wir, wenn sie ihr Kaffeekränzchen in ihrer Glasveranda abhielt, deren Fenster mit übel riechenden Geranien bestückt waren, meinen Teddybären, den meine Mutter genäht hatte, an einer Schnur hinunterließen und die alten Damen damit erschreckten.

Oder wir spielten Geige, aber extra falsch, vor unserer Wohnungstür, die nicht abzuschließen war, am Donnertag Abend, wenn unsere Mutter bei der Konferenz in der Schule war,

Meine Mutter ließ uns im Sommer Wasser in den Balkon ein, indem sie Eimer um Eimer schleppte, den Abschluss hatte sie verstopft, damit wir baden konnten. Frau Bünger kam hoch, weil das Wasser von der Decke ihrer Veranda tropfte.

Dann wurde die Straße geteert. Arbeiter knieten auf Brettern auf dem stinkenden Teer und schoben mit einem Holzbrett den Teer vor sich hin.

Ein Bauarbeiter half Frau Schlorf die Kartoffeln abwiegen im Laden am Ende der Straße. Er verliebte sich in die Witwe und heiratete sie. Wie oft war ich in dem Laden, weil meine Mutter etwas vergessen hatte!

Am anderen Ende der Straße wohnte auch eine Freundin von mir, die aber älter war. Elke wurden die Haare im Garten gewaschen. Sie stand im Unterhemd und die halb erwachsenen Jungen vom Nachbarn beobachteten sie dabei. Als wir auszogen, starb unsere Vermieterin. Reinhild Paarmann

Die Beiträge zu anderen „Heimatgeschichten“ von unseren Lesern und Reportern finden Sie hier.
Autor:

Lokalredaktion aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 537× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 825× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 803× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.183× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.