„Ausstellung darf nicht mit der Kaiserzeit enden“
Neuer Heimatverein-Vorsitzender Matthias Aettner hat viele Ideen für Museum im Historischen Winkel
Frischer Wind im alten Schulhaus: Matthias Aettner, neuer Vorsitzender des Heimatvereins und damit auch Chef im Museum und Archiv, wie das Gebäude neben der alten Dorfkirche offiziell heißt, hat viele Pläne für die Zukunft. Ein Thema, das ihm besonders am Herzen liegt: „Es kann nicht sein, dass die Zehlendorfer Heimatgeschichte, wie sie hier dargestellt ist, mit der Kaiserzeit endet.“
Tatsächlich finden sich im Heimatmuseum an der Clayallee 355, im so genannten Historischen Winkel, Exponate aus dem 18. und 19. Jahrhundert, ab 1914 allerdings so gut wie nichts mehr. Ein großes Modell des alten Dorfes dominiert einen Raum, in einem anderen ist der Anzug von Gustav Hartmann, besser bekannt als der Eiserne Gustav, zu sehen sowie zahlreiche Fotografien von ansässigen Familien, Alltagsgegenstände, Möbel aus vergangenen Zeiten. Im Obergeschoss stapeln sich Ordner mit unzähligen historischen Ansichten von Zehlendorf, alte Landkarten, Lokalzeitungen, Adressbücher und Archiv-Verzeichnisse.
Eine gute Sache, aber nicht gut genug. „Jungen Leuten, die ins Museum kommen, können wir gar nicht zeigen, wie ihre Großeltern oder Eltern in Zehlendorf lebten“, sagt Aettner, „uns fehlt die Weimarer Zeit, das Dritte Reich, das geteilte Deutschland.“
Es gibt also viel zu tun, aber einiges ist auch schon geschafft. Der Heimatbrief, das Jahrbuch und die Homepage haben ein neues, moderneres Layout erhalten, das Vereinslogo, das stilisiert die Alte Dorfkirche, das Museum und ein Eichenblatt aus dem Zehlendorfer Wappen zeigt, wurde aufgefrischt.
Über mangelnden Zuspruch kann sich der Verein mit rund 300 Mitgliedern nicht beklagen: „Die Autoren prügeln sich fast, um einen Beitrag im Jahrbuch veröffentlichen zu können“, erzählt Aettner. „Und im vergangenen Jahr hatten wir fast 4000 Besucher, damit stehen wir im deutschlandweiten Vergleich sehr gut da.“ Noch mehr Besucher, vor allem Familien mit Kindern, sollen mit einem neuen Angebot gelockt werden: Ab sofort ist das Museum am jeweils ersten Sonntag im Monat geöffnet.
"Beerdigungen mache ich am liebsten"
Matthias Aettner ist von Haus aus Theologe. Er unterrichtet an drei Schulen in Zehlendorf Religion, war Vorsitzender des Kirchenrats der Paulus-Gemeinde und der Synode des Kirchenkreises Teltow-Zehlendorf. In der Alten Dorfkirche hatte er vor dem Beginn der Sanierung 20 Jahre lang den Gottesdienst an Heiligabend übernommen. Neben dem Unterricht hält er Ansprachen bei Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen. „Es hört sich vielleicht ungewöhnlich an, aber Beerdigungen mache ich am liebsten“, sagt er. „Dabei sind die Menschen am ehrlichsten, bei Hochzeiten ist vieles nur Show.“
Eine weitere Besonderheit: Aettner ist der erste Vorsitzende des Heimatvereins, der berufstätig ist. Zu diesem Posten kam er ebenfalls über die Tätigkeiten in der Kirche. „Die Paulus-Gemeinde wünschte sich eine engere Zusammenarbeit mit dem Verein, so wurde ich 2014 stellvertretender Vorsitzender.“ Als bekannt wurde, dass sein Vorgänger Klaus-Peter Laschinsky 2018 aufhört, wurde er dann gefragt, ob er den Vorsitz übernehmen wollte.
Die Zehlendorfer Lokalhistorie interessiert ihn, wenn er auch zugibt, noch längst nicht alles zu wissen. Eines seiner bevorzugten Themen ist der Antisemitismus. Er ist im Besitz von zwei Briefen Martha Liebermanns, der Ehefrau des Malers Max Liebermann. Über Ludwig Fulda, einen der meistgespielten Bühnenautoren Deutschlands, bevor er 1933 als Jude mit Publikationsverbot belegt wurde, hat Aettner in einem Heimatbrief geschrieben.
Viel Arbeit für Ehrenamtliche
Die neuen Aufgaben im Heimatverein machen ihm sehr viel Freude, auch wenn er nicht jeden Tag im Museum sein kann. „Ohne die zahlreichen tollen ehrenamtlichen Mitarbeiter wäre die Arbeit nicht zu schaffen“, sagt Aettner. Vor allem, da sich auch im Heimatmuseum die Globalisierung bemerkbar macht. „Wir bekommen immer mehr E-Mails aus dem Ausland, sogar aus Brasilien oder Kanada. Gefragt wird zum Beispiel, ob wir etwas über Großeltern wissen, die in Zehlendorf wohnten.“
Die nächsten Vorhaben: Aettner will einen Beitrag für den Heimatbrief schreiben, passend zum Thema der neuen Sonderausstellung 100 Jahre Bauhaus in Zehlendorf, die ab April zu sehen sein wird. Der umfangreiche Bestand an alten Zehlendorf-Ansichten soll digitalisiert werden und die Zusammenarbeit mit dem Kulturamt soll besser werden: „Wir müssen darstellen, wie wichtig wir sind. Es gibt Broschüren des Amtes, in denen wir nicht präsent sind, das darf nicht sein.“
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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