Der letzte Mauertote
Vor 30 Jahren misslang Winfried Freudenbergs Flucht im selbst gebauten Ballon

Das Porträt Winfried Freudenbergs auf der Gedenkstele. | Foto: Ulrike Martin
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Ein tragisches Schicksal: Nur wenige Monate sollten noch vergehen, bis im November 1989 die Mauer fiel. Doch ein halbes Jahr zuvor war davon nichts zu ahnen. Wilfried Freudenberg hielt es in der DDR nicht mehr aus. Sein verzweifelter Fluchtversuch kostete ihn das Leben. Eine Gedenkstele am Erdmann-Graeser-Weg erinnert an ihn.

Im September 1979 gelang zwei Familien aus Thüringen mit einem Heißluftballon die spektakuläre Flucht über die innerdeutsche Grenze. Freudenberg wollte auf diesem Weg ebenfalls sein Glück versuchen. Der 32-jährige Elektroingenieur aus Ost-Berlin und seine Frau Sabine, Diplom-Chemikerin, damals 23 Jahre alt, sahen keine beruflichen Perspektiven mehr in der DDR. „Sie wollten nicht länger hinnehmen, dass ihnen Reisen, Tagungen, Forschungsmöglichkeiten und Kontakte in westliche Länder von Staats wegen vorenthalten wurden“, ist auf der Stele zu lesen.

Das Paar fing an, die Flucht zu planen, kaufte in unauffälligen, kleinen Mengen Folien aus Polyäthylen, wie sie für Frühbeetfenster und Zelte verwendet werden. Im Januar 1989 begannen sie in ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg eine 13 Meter hohe Ballonhülle mit einem Durchmesser von elf Metern anzufertigen. Als Befestigung diente ein Netz aus Verpackungsschnur.

Zur Vorbereitung der Flucht hatte Freudenberg eine Arbeitsstelle im VEB Energiekombinat Berlin angenommen. Somit hatte er Zugang zu einer Gas-Reglerstation an der Straße Schäferstege im Norden Ost-Berlins.

Am Abend des 7. März hatte der Wetterbericht gute Bedingungen für die darauf folgende Nacht angekündigt: Ein günstiger Nordostwind sollte wehen. Das Paar brachte den Ballon in seinem Trabant zur Reglerstation und begann gegen Mitternacht, die Hülle mit Erdgas zu füllen. Unglücklicherweise bemerkte ein Passant den sich aufrichtenden Ballon und alarmierte die Volkspolizei. Kurz nach 2 Uhr bremste ein Streifenwagen vor dem Gelände. Der Ballon war noch nicht ausreichend gefüllt, um zwei Personen tragen zu können. Sabine Freudenberg forderte ihren Mann auf, alleine zu fliehen und sie später nachzuholen. Freudenberg kappte das Ankerseil und stieg auf. Wegen des ausströmenden Gases wagten die Volkspolizisten nicht auf den Ballon zu schießen, sie befürchteten eine Explosion.

Ballon stieg zu schnell und zu hoch

Mit einer halben Stunde Flug in niedriger Höhe hatte Freudenberg gerechnet, aber der überstürzte Start hatte unvorhersehbare Folgen. Der Ballon stieg schneller und weitaus höher auf und war mehr als fünf Stunden über Berlin unterwegs. Während dieser langen Zeit kauerte Freudenberg bei eisiger Kälte in rund 3000 Metern Höhe auf einem nur 40 Zentimeter breiten und zwei Zentimeter starken Holzstock. Über dem Teufelsberg wurde der Ballon zuletzt von einem Spaziergänger gesehen. Gegen 7.30 Uhr am Morgen des 8. März stürzte Freudenberg aus großer Höhe über Zehlendorf ab.

Gegen 7.50 Uhr verfing sich die Ballonhülle in den Bäumen auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Chaussee, Ecke Spanische Allee. An einem Tragegestell waren Taschen mit persönlichen Gegenstände befestigt. Nachmittags fand ein Hausbesitzer in seinem Garten in der Limastraße die Leiche von Winfried Freudenberg. Acht Monate und einen Tag vor dem Fall der Mauer wurde er ihr letztes Todesopfer in Berlin. Die Beisetzung fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in seiner Heimatgemeinde Lüttgenrode statt, nahe der innerdeutschen Grenze.

Sabine Freudenberg war nach dem Start des Ballons in ihre Wohnung zurück gekehrt, wurde dort festgenommen und zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Die Gedenkstele für Winfried Freudenberg steht seit November 2012 am Erdmann-Graeser-Weg am Waldsee. Auch in der Gedenkstätte Berliner Mauer erinnert ein Porträt von ihm an sein Schicksal.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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