"Wir stehen vor großen Herausforderungen": Interview mit den Bürgermeisterkandidaten

Cerstin Richter-Kotowski (CDU) und Michael Karnetzki (SPD) kandidieren für das Amt des Bürgermeisters. | Foto: Ulrike Martin
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Steglitz-Zehlendorf. Was sind die größten Probleme im Bezirk? Wie können sie gelöst werden? Berliner Woche-Reporterinnen Karla Menge und Ulrike Martin sprachen darüber mit den Bürgermeisterkandidaten Cerstin Richter-Kotowski (CDU) und Michael Karnetzki (SPD).

Es soll derzeit mehr als 100 offene Stellen in der Verwaltung geben. Mit welchen Maßnahmen können mehr qualifizierte Arbeitskräfte gewonnen werden?

Cerstin Richter-Kotowski: Um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, muss das Bezirksamt als Arbeitgeber attraktiver werden. Das heißt: familienfreundliche Bedingungen unter anderem durch Anpassung der Gleitarbeitszeit an die Bedürfnisse der Arbeitnehmer sowie eine bessere Besoldung. Neue Ideen zu entwickeln zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitsplatzes zu schnüren, wird eine wichtige Aufgabe sein.

Michael Karnetzki: Wichtig ist, das kollegiale Klima zu stärken, um die Mitarbeiter zu binden. Das Problem ist aber, dass uns qualifizierte Kräfte fehlen, sie verdienen woanders mehr. Früher konnten wir uns die Mitarbeiter aussuchen, jetzt suchen sie sich ihren Arbeitgeber aus. Um die Personalknappheit zu lindern, könnten zum Beispiel Honorarverträge mit älteren Fachkräften abgeschlossen werden.

Das Bezirksamt als Ausbildungsbetrieb: Gibt es dafür Konzepte?

Cerstin Richter-Kotowski: Mit einer guten Ausbildung im Bezirksamt könnten wir junge Mitarbeiter langfristig an uns binden. Hier müssen wir flexibler werden, um beispielsweise einen Wissenstransfer von erfahrenen Mitarbeitern an die jüngeren Azubis zu ermöglichen. Das könnte durch Parallelbesetzungen passieren. Das scheitert jedoch an Raumkapazitäten. Um unseren Azubis eigene PC-Arbeitsplätze anbieten zu können, müssen neue Räume angemietet werden.

Michael Karnetzki: Die fehlenden Raumkapazitäten sind ein Problem, das zweite dreht sich darum, dass es nicht genügend Beschäftigte bei uns gibt, die ausbilden wollen oder können. Der Altersdurchschnitt in unserer Verwaltung liegt bei 50 plus. Die Ausbildungsfähigkeit der Verwaltung muss unbedingt erhöht werden. Aber das Land Berlin hat überall Personal abgebaut. Da stellt sich die Frage: Wozu ausbilden, wenn es anschließend keine Arbeitsplätze gibt?

Für die Grünflächenpflege fehlt dem Bezirksamt Geld und Personal. Ist es vorstellbar, diese Aufgabe abzugeben?

Cerstin Richter-Kotowski: Ein Abgeben der Grünflächen ist keine Lösung. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es am Ende wesentlich teurer ist, Fremdfirmen zu beauftragen. Für die anfallenden Honorarkosten könnte besser eigenes Personal eingesetzt werden. Für den Einsatz von Fremdfirmen sollte immer im Einzelfall geprüft werden, ob es sinnvoll ist.

Michael Karnetzki: Es gibt immer wieder Klagen von Bürgern, das stimmt. Sie beschweren sich zum Beispiel darüber, wenn Hecken sehr kurzgeschnitten werden. Dadurch wird die Pflege jedoch einfacher. Die finanziellen Ressourcen des Bezirks sind leider sehr knapp. Rund 30 Prozent der Pflegemaßnahmen werden von Fremdfirmen erledigt. Wir müssten sehr viel mehr Personal für diese Aufgaben einstellen.

Wie kann nachhaltige Integration von Flüchtlingen gelingen?

Cerstin Richter-Kotowski: Der Schlüssel zur Integration heißt Arbeit und Sprache. Wir müssen Geflüchteten schnell Beschäftigung geben und Möglichkeiten bieten, unsere Sprache zu lernen. Sprach- und Integrationskurse gibt es an unserer Volkshochschule. Leider tut sich Berlin ausgesprochen schwer, Qualifikationen aus dem Ausland anzuerkennen. Das erschwert die Vermittlung von Flüchtlingen in Arbeit.

Michael Karnetzki: Viele Betriebe im Bezirk wollen Flüchtlinge einstellen. Bisher konnte ein Arbeitsplatz nur dann vergeben werden, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger dafür zur Verfügung stand. Diese Vorrangregelung ist jetzt gelockert. Zur Integration können wir auch beitragen, wenn wir die Kontakte geflüchteter Kinder zu deutschen Kindern stärken. Kinder lernen schnell, auch die Sprache.

Viele Bauvorhaben im Bezirk liegen im gehobenen Segment. Gibt es bald nur noch Luxuswohnungen?

Cerstin Richter-Kotowski: Im Bezirk gibt es bereits eine gesunde Mischung aus bezahlbarem Wohnraum und Wohnungen im gehobenen Segment. Diese Mischung gilt es zu erhalten. Reihenhäuser müssen genauso wie Sozialwohnungen ihre Berechtigung haben. Denn sozialer Wohnungsbau ist nur dann möglich, wenn auch höherpreisige Wohnungen angeboten werden. Das Wohnungsbauprojekt in Lichterfelde Süd beispielsweise darf keine Fortsetzung der Thermometersiedlung werden.

Michael Karnetzki: An der gesunden Mischung habe ich leichte Zweifel. Es entstanden teure Quartiere wie das Fünf Morgen Urban Village oder das Schlachtensee-Carré. Seit kurzem müssen die Wohnungsbaugesellschaften bei Neubauvorhaben 25 Prozent der Wohnungen zu einem Mietpreis von unter 6,50 Euro pro Quadratmeter errichten. Wir wollen keine zweite Thermometersiedlung, brauchen aber mehr bezahlbaren Wohnraum. Auch Erhaltungssatzungen und Millieuschutz sind Mittel für eine gesunde Mischung.

Der Senat plant einen Pedelec-Korridor von Steglitz in die südlichen Umlandgemeinden. Gibt es weitere Ideen für einen Ausbau des Radwegenetzes?

Cerstin Richter-Kotowski: Der Radschnellweg auf der Stammbahnstrecke ist eine gute Idee. Damit könne man eine sichere Verbindung für Radfahrer schaffen. Zu Lasten des Schienenverkehrs geht das nicht, denn die Stammbahn wird so schnell nicht kommen. Wichtig ist, Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander auszuspielen. Eine gute Möglichkeit sehe ich darin, das Sharing-System für Räder und Autos auszubauen.

Michael Karnetzki: Der Radschnellweg ist eine nette Idee der CDU, unsere Priorität liegt aber auf der Wiederinbetriebnahme der Stammbahn. Der Pedelec-Korridor ist eine gute Sache, dabei sind aber noch Details zu klären. Grundsätzlich sind die Belange aller Verkehrsteilnehmer zu beachten. Wir müssen weg davon, das Auto an erster Stelle zu sehen. Und wir brauchen noch viel mehr gute Radwege.

Ein Rückblick: Was war in der vergangenen Legislaturperiode die größte Herausforderung für Sie?

Cerstin Richter-Kotowski: Am Anfang der Legislaturperiode musste ich innerhalb weniger Wochen ich für 60000 Euro Spendengelder eine Co-Finanzierung auf die Beine stellen. Sonst wäre das Geld verfallen. Verschiedene Ämter mussten an einen Tisch. Das zu organisieren, ist gut gelungen. Zu meinen Erfolgen zähle ich auch die trotz großer Schwierigkeiten letztlich doch erfolgreichen Sanierungen der Rothenburg- und der Max-von-Laue-Schule sowie den Neubau der Sporthallen des Goethe- und Arndt-Gymnasiums.

Michael Karnetzki: Das sehe ich genauso, die Sanierung dieser Schulen war für Schul- und Bauamt eine große Herausforderung. Auch die Sporthalle der Grundschule am Karpfenteich sollte schnell realisiert werden, zwischenzeitlich schmiss der Architekt aber das Handtuch. Jetzt haben wir eine neue Vorplanung erarbeitet, und können mit dem Bebauungsplanverfahren beginnen. Mit dem Bau könnte es im Winter losgehen.

Wenn Sie Bürgermeister/in werden, welche Projekte sind für Sie vorrangig?

Cerstin Richter-Kotowski: Die Personalsituation in der Verwaltung muss verbessert werden. Für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst muss neu investiert werden. Ebenso in unsere Schulen, Straßen, Parks und Kultureinrichtungen. Darüber hinaus sollen die Bürger an dem, was im Bezirk geschehen soll, mehr und besser beteiligt werden. Ich würde mir eine größere Bereitschaft der Menschen zu mehr Kompromissfähigkeit wünschen. Eine große Herausforderung sehe ich darin, einen Dialog darüber anzustoßen, wie wir zukünftig miteinander leben wollen.

Michael Karnetzki: Die Sanierung der Schulen. Die SPD will ja ein zentrales Modell dafür auf den Weg bringen, das aber noch einige sachliche Fehler aufweist. Es umzusetzen ist eine Riesenherausforderung. Auch den Wohnungsbau müssen wir vorantreiben, Berlin wächst um 40000 Einwohner jährlich. Und wir müssen überlegen, wie mit dem Haushaltsdefizit von acht Millionen Euro umzugehen ist. Das Problem müssen wir lösen, ohne Strukturen im Bezirk zu beschädigen.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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