Zehlendorfer schildern ihre Erlebnisse in neuem Buch
Der 24. April 1945 war für Zehlendorf ein Schicksalstag. An jenem Dienstag begann in der Frühe um 6.20 Uhr von Teltow aus der sowjetische Angriff. Fast ohne Gegenwehr konnten die Truppen der Roten Armee trotz gesprengter Brücken über den Teltowkanal rasch in das Innere des Berliner Südwestens eindringen. Um 12 Uhr stand die Rote Armee an der Wannseebahnlinie. Zehlendorf und Lichterfelde-West waren erobert.
Frauen irrten mit ihren Kindern hilflos durch die vorrückenden Truppen, stolperten am Teltowkanal vorbei an zahllosen getöteten Jungen und alten Männern des Volkssturms und fanden Unterschlupf in der Südschule. Doch in den darauf folgenden Tagen ging der Terror durch die nachrückenden Soldaten erst richtig los. Es wurde zerstört, geraubt, gemordet und vergewaltigt. Der Kampf ums Überleben - Hungern, Hamstern, Organisieren - bestimmte das tägliche Leben.
32 Zehlendorfer berichten auf 314 Seiten von den damaligen Ereignissen im Bezirk und den benachbarten Stadtteilen, deren Tragik nicht erst in den 40er-Jahren beginnt. Es sind Erlebnisse von Zeitzeugen, die damals jung waren, zum Teil erst Kinder, angereichert mit historischen Darstellungen und zeitgenössischen Berichten.
Die Hobbyhistoriker hatten sich vor Jahren als Männergruppe in der evangelische Kirchengemeinde "Zur Heimat" in Zehlendorf Süd zusammengetan. Die Kirche ist ein Kind der Nachkriegszeit, als in Zehlendorf Süd viele Menschen eine neue Bleibe fanden.
Herausgegeben hat den Band Wolf-Dieter Glatzel. Der 71-jährige promovierte Ingenieur für Verfahrenstechnik studierte an der TU Berlin und in Kapstadt und bereitete in den späten 80er- und 90er-Jahren den Ausstieg aus der Kernkraft vor. Damals arbeitete der gebürtige Lichterfelder für Klaus Töpfer und dessen Nachfolgerin Angela Merkel im Umweltbundesamt.
Glatzel geht es darum, die "Geschichte von unten" für Kinder und Kindeskinder festzuhalten. "Das Buch hat eine Botschaft", sagt der vielfache Vater und Großvater. "Man muss daran erinnern, dass der Frieden keine Selbstverständlichkeit und heute mehr gefährdet ist als im Kalten Krieg. Daher auch der aufrüttelnde Titel: "Krieg ist schrecklich, mein Kind." Bald 70 Jahre ist das her. Doch die schrecklichen Kindheitserlebnisse begleiten so manchen durch das ganze Leben. Deshalb fordert das Buch als Fazit mehr - auch kirchliches - Engagement für gerechten Frieden.
Wolf-Dieter Glatzel (Hg.): "Krieg ist schrecklich, mein Kind! Zehlendorfer erinnern sich an 1945." 214 Seiten, 231 Abbildungen, mit Anhang zu Abkürzungen und Ausdrücken der damaligen Zeit. ISBN 978-3-00-044481-4, 20 Euro (zuzgl. Porto) ausschließlich zu beziehen bei Ludwig Schlottke, 817 74 04, ludwig@schlottk.de oder bei Wolf-Dieter Glatzel, wolf-dieter@glatzel-online.de.
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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