Fahrradwerkstatt in der Gemeinschaftsunterkunft Hohentwielsteig macht Bewohner mobil
Zehlendorf. „Nicht zu viel, sonst platzt der Reifen!“. Herbert-Otto Minte zeigt Aws Algburi, wie viel Luft ein Fahrradschlauch verträgt. Minte ist Haumeister in der Containerunterkunft im Hohentwielsteig, Algburi einer der Bewohner. Einträchtig werkeln die beiden daran, aus einem schlappen Drahtesel wieder ein funktionierendes Fortbewegungsmittel zu machen.
Im September hatte das Stadtteilzentrum Villa Mittelhof dazu aufgerufen, Fahrräder für Flüchtlinge zu spenden, um ihnen mehr Mobilität zu ermöglichen.
"Wir lernen alle dazu"
Zu Beginn waren es 30, aktuell stehen rund 200 Räder auf dem Gelände. Davon sind einige reparaturbedürftig. Jeden Sonnabendvormittag zeigt Hausmeister Minte, gelernter Schlosser, den Flüchtlingen, wie geschraubt, geflickt und aufbereitet wird. „Das macht sehr viel Spaß, wir lernen alle dazu“, sagt er.
Besonders viel Spaß macht diese Arbeit seit März. Claudius Jochheim, Geschäftsführer des Versicherungsmaklers Funk Gruppe, übergab einen Container, komplett ausgestattet mit Werkzeugkästen, Schränken, Luftpumpen und Flickzeug. „Eine tolle Aktion, wir haben uns sehr gefreut, sagt Awaz Dosky, stellvertretende Leiterin der vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betriebenen Unterkunft.
Aws Algburi arbeitete im Irak als Schweißer und LKW-Fahrer. Jetzt lernt er Deutsch und wartet darauf, dass sein Asylantrag bearbeitet wird. Das gilt auch für Josef Hashim Dawood, ebenfalls aus dem Irak. In seiner Heimat hat er Geographie studiert, aber auch als Bäcker gearbeitet. Jetzt hat er Aussicht als eine Arbeitserlaubnis. „Es ist gut, dass wir die Räder haben“, sagt er, „damit können wir zu den Ämtern fahren. Oder eine Tour machen.“
Aktuell leben 340 Menschen im Hohentwielsteig, darunter 80 Frauen und 50 Kinder. Die meisten kommen aus Syrien, dem Irak, und Afghanistan. Die Männer und die Kinder können Rad fahren, oder sie lernen es schnell. „Allerdings gibt es doch viele Frauen, die noch nie auf einem Rad gesessen haben“, erklärt ASB-Sprecher Julian Thiel. „Wir helfen ihnen mit Anfängerkursen.“ Angedacht sei auch eine Kooperation mit den bezirklichen Verkehrsschulen.
Thiel sagt, dass Fahrrad-Projekt werde sehr gut angenommen. Vor allem gehe es nicht nur um die Mobilität. „Die Bewohner lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wenn sie die Räder pflegen, entwickeln sie eine Beziehung dazu.“
Fahrräder sind nach wie vor willkommen, aber auch Einzelteile wie Sättel oder Lenker. Die Spenden können direkt am Eingang der Unterkunft im Hohentwielsteig 27-29, Ecke Potsdamer Chaussee 101, abgegeben werden. „Wir würden uns auch sehr über Freiwillige freuen, die Lust haben, sonnabends beim Schrauben mit zu machen“, sagt Thiel. Wer helfen will, kann einfach vorbeikommen. uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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