"Ham’ Se noch wat frei?" Gemeindemitglieder gehen auf Bettensuche für den Kirchentag
Berlin. Für ihre Mission gehen sie sogar auf die Straße: Frauen und Männer aus evangelischen Gemeinden sprechen Passanten an, um für Privatquartiere zu werben. Die Parole lautet „Ham’ Se noch wat frei?“
Vom 24. bis 28. Mai findet in Berlin und Wittenberg der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag statt, zu dem rund 140.000 Gäste erwartet werden. Ein Großteil kann in Schulen übernachten, für 15.000, vor allem Besucher ab 35 Jahren, werden private Schlafplätze gesucht. Die Gemeinden fragen in Berlin und Potsdam in Aushängen nach Unterkünften, verteilen Flyer und werben in Gottesdiensten um Gastgeber.
„Derzeit gibt es 2500 Plätze“, berichtet Linda Mummer beim Treffen von zehn Ehrenamtlichen, die in Steglitz-Zehlendorfer Gemeinden aktiv sind. Mummer ist beim Kirchentag für den „Teilnehmenden-Service Unterkunft Privatquartiere“ zuständig, die ehrenamtlichen Helfer sind „Privatquartier-Beauftragte“.
Joachim Grimm erzählt, dass die Suche nach Bett und Couch in der Martin-Luther-Kirchengemeinde in Lichterfelde bereits um die Weihnachtszeit begonnen hat. „Bisher haben wir rund 20 Gastgeber“. Auf 14 Betten hat es bis jetzt die Dreifaltigkeitsgemeinde Lankwitz gebracht. „Wir haben viele Gemeindemitglieder, die gerne helfen würden, es sich aber nicht zutrauen“, erklärt Marianne Esche-Goltz. „Das liegt an der Altersstruktur, die meisten sind weit über 70 Jahre alt.“
25 Zusagen, einen oder auch mehrere Kirchentaggäste aufzunehmen, kann die Paulusgemeinde Zehlendorf bislang verbuchen. Deren Privatquartier-Beauftragte stellten sonnabends am S-Bahnhof Zehlendorf einen Info-Stand auf und sprachen die Menschen direkt an. „Das ist ganz gut gelaufen“, resümiert Eckhard Jendis. „Viele gingen aber auch einfach vorbei, andere erzählten, warum sie aus der Kirche ausgetreten sind.“ Aber auch Konfessionslose hätten Interesse gezeigt.
Dankbar für jede Zusage
Die Erfahrungen der Betten-Sucher sind durchaus unterschiedlich. „Es ist frustrierend, wenn die Leute sagen, sie wollen keine Fremden bei sich haben“, berichtet Gisela Lemm, die für die Lankwitzer Paul-Schneider-Gemeinde aktiv ist. „Es gibt welche, die alleine in Fünf-Zimmer-Wohnungen leben und niemanden aufnehmen wollen. Das ist schon traurig.“ Große Bereitschaft hingegen hat Joachim Grimm erfahren. „Aber es gibt natürlich einen Angstfaktor.“
Diese Angst kann entkräftet werden. „Wer einen Besucher aufnimmt, ist über den Kirchentag versichert“, erklärt Linda Mummer. Zudem müsse jeder Gastgeber ein Formular ausfüllen, in dem er seine Wünsche äußern kann, etwa ob der Gast weiblich oder männlich sein soll, auch das gewünschte Alter kann angegeben werden. „Wenn Besuch und Gastgeber absolut nicht miteinander können, sorgen wir für ein Ausweichquartier“, sagt Mummer.
Die Straßenaktion der Paulusgemeinde findet ein letztes Mal am Sonnabend, 25. Februar, von 11 bis 13 Uhr am S-Bahnhof Zehlendorf statt. Aber andere Gemeinden, zum Beispiel aus Lankwitz, wollen nachziehen und ebenfalls an öffentlichen Orten "Betten sammeln“. Fast jeder kann etwas tun, meint Linda Mummer. „Wer keinen Gast aufnehmen will, kann als Multiplikator wirken, seinen Nachbarn und Freunden davon erzählen.“
Alle Ehrenamtlichen des Treffens waren bereits auf Kirchentagen zu Gast und privat untergebracht. Deshalb ist es für sie selbstverständlich Gastgeber zu sein. „Ich habe mir eine Klappmatratze gekauft und werde im Wohnzimmer schlafen“, sagt Gisela Lemm. uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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