Gelebte Jugendkultur in maroder Villa
Im Haus der Jugend wird seit 70 Jahren wertvolle Kulturarbeit geleistet
Das Haus der Jugend in Zehlendorf hat Grund zum Feiern. In der Argentinischen Allee 28 gehen seit nunmehr 70 Jahren Kinder und Jugendliche ein und aus, die sich neben der Schule für Musik, Theater und Kultur begeistern. Nun ist auch noch das Geld für Reparaturen bewilligt. Ein Besuch bei einem Vorzeigeprojekt.
Alexander Skoczowksy eilt über das weitläufige Gelände am Waldsee. In letzter Minute löst er Probleme, packt mit an, organisiert Stühle und Mikrofone für das bereits laufende Jubiläumsfest. Der Leiter des Hauses der Jugend spricht beim Gehen in sein Funkgerät, grüßt zu allen Seiten und nimmt sich sogar Zeit für einen Besucher, der ihn auf eine Unklarheit in der an die Wand gehefteten Zeitleiste der Hausgeschichte aufmerksam macht. Sechs Monate lang haben Skoczowsky und seine Kollegen das Fest geplant. Nun bietet sich den zahlreichen Besuchern ein bunter Einblick in die Arbeit des Hauses. „Konzerte, Theateraufführungen, Kinderprogramm, Töpfertisch – und viele heute erfolgreiche Ehemalige haben sich angekündigt“, zählt Skoczowsky auf, als er die Schauspielerin Susanne Bormann begrüßt.
Das Haus der Jugend hat sich ganz der Kultur verschrieben. „Wir haben allein fünf Theatergruppen, alle mit unterschiedlichem Schwerpunkt“, erzählt Skoczowsky. Proberäume im Keller und ein hauseigenes Tonstudio ermöglichen jungen Musikbegeisterten einen Einstieg in die Branche. Immerhin haben Mitglieder von Seeed, Beatsafari und des Berlin Boom Orchestras hier ihre ersten musikalischen Schritte getan. Auch Skoczowsky war bis vor vier Jahren vor allem in den Kellerräumen zu Hause. Bevor er 2015 die Leitung des Hauses übernahm, hat der 40-Jährige Schlagzeugunterricht im Haus gegeben.
Tanz- und Töpfergruppen vervollständigen das künstlerische Portfolio des Hauses. Jeden Tag neu können Kinder und Jugendliche sich in der Argentinischen Allee ausprobieren. „Wir sind aber auch einfach zum Abhängen und Billardspielen da“, sagt Skoczowsky. „Alles andere ergibt sich dann.“
Den oftmals hektischen Alltag im vollen Haus stemmt Alexander Skoczowksy zusammen mit drei Kolleginnen und Kollegen sowie einigen Honorarkräften. Was treibt ihn an? „Ich möchte, dass die Leute verstehen, was das Haus bedeutet“, erklärt er. Denn neben der kulturellen Freizeitgestaltung widmet sich das Haus der Jugend auch ernsteren Aufgaben. Kooperationen mit dem Jugendamt und Influencern zu Themen wie Geschlechterrollen finden ebenso interessierte Teilnehmer wie Projekte zu Hate Speech oder Trollen im Netz. Auch umfangreiche Recherchearbeit rund um die Geschichte des Hauses haben die Zehlendorfer Jugendlichen geleistet. „Wir haben uns gefragt, wer wohl in diesem Haus gewohnt hat“, erzählt Skoczowsky, der nebenbei Geschichte an der Freien Universität studiert. „Hier lebte der Berliner Polizeipräsident der Nazi-Jahre, Wolf-Heinrich Helldorf, der nicht nur Antisemit, sondern stolzer Nationalsozialist war.“ Auch in den folgenden Jahren blieb die Geschichte des Hauses bewegt. So versuchte die Studentenbewegung in den 70er-Jahren das Haus zu besetzen.
Im Haus der Jugend soll jeder seine Ideen und Kreativität einbringen, Anregungen bekommen, vielleicht sogar eine berufliche Perspektive erhalten. „Wir wollen neben dem engen Korsett des Schulalltags ein Ort zum Ausprobieren sein.“ Das Engagement zahlt sich aus: In den vergangenen Jahren konnte das Haus steigende Besucherzahlen verzeichnen, seine erfolgreichen Projekte stoßen berlinweit auf Anerkennung.
Auch deswegen, so vermutet Skoczowsky, erhält die Villa endlich Gelder für die dringend notwendige Sanierung. Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD) überbrachte zum Fest die frohe Nachricht: „Wir haben am 26. August die Bauplanungsunterlagen unterschrieben. Damit sind dem Haus der Jugend 2,6 Millionen Euro sicher.“ Anfangen müsse man mit dem Dach, von dem bereits Schindeln fallen. Zunächst werden die Arbeiten jedoch europaweit ausgeschrieben. „Vor 2021 wird das nichts“, prognostiziert Skoczowksy.
Doch von Wasserrohrbrüchen, Rissen im Fundament und feuchten Kellerräumen mag er an diesem Tag gar nicht viel reden. Lieber führt er zu den eigenen kleinen Baustellen des Hauses. „Hier wollen wir eine Feuerstelle errichten“, sagt er und deutet auf eine flache Stelle am Ufer. Auf dem See soll zudem eine Bühne entstehen. Auch ein Gewächshaus ist in Planung und im alten Luftschutzbunker im Vorgarten sollen sich künftig Fledermäuse einrichten.
Autor:Julia Hubernagel aus Prenzlauer Berg |
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