Stephanus-Gemeinde hilft Bedürftigen mit Zusatzangebot
Jeden Dienstag kommen bis zu 150 Hartz-IV-Empfänger oder Bezieher von Grundsicherung. Um 11.30 Uhr beginnt die Losausgabe. "Das erscheint uns gerecht, so kommt jeder einmal früher oder später dran", erklärt Klaus, die gemeinsam mit Margret Freitag die Ausgabestelle leitet. Um 12 Uhr öffnet sich die Tür zu einem Raum, der aussieht wie eine kleine Markthalle. Das Angebot ist reichhaltig: Obst und Gemüse, Konserven, sogar Süßigkeiten gibt es.
Rund 40 ehrenamtliche Helfer haben viel zu leisten. Für Herbert Wilkens zum Beispiel beginnt sein Job gegen 8 Uhr. Der 71-Jährige ist einer von zwölf Fahrern, die zu Discountern und Supermärkten touren, 20 bis 30 Kisten auf- und im Gemeindehaus wieder abladen. Gegen 10 Uhr übernehmen andere Helfer, sortieren verdorbene Ware aus, bauen auf. Nach 13 Uhr räumen sie die Reste weg. Salat und Gemüse landen unter anderem im Streichelzoo eines Seniorenheims.
Wilkens, Diplom-Volkswirt in Rente, und Gisela Klaus, Ernährungswissenschaftlerin, stehen hinter dem Projekt. Aber sie sehen auch Probleme - Armut auf der einen Seite, Verschwendung auf der anderen. "Die großen Discounter kaufen immense Mengen an Lebensmitteln ein, um sie möglichst billig verkaufen zu können, oft bleibt sehr viel übrig", sagt Klaus. Das sei zwar gut für Laib und Seele. "Aber eigentlich unterstützen wir dieses Konzept, und es wird weiterhin zu viel eingekauft", bemängelt die 50-Jährige. Es gehe auch anders, erläutert Wilkens. "In der Schweiz gibt es ein anderes Bewusstsein. Es wird mehr auf Qualität geachtet. Die Preise sind höher als bei uns. Discounter kaufen nicht diese Riesenmengen ein, weil das Wegwerfen teurer ist."
Eine andere Denkweise sei hierzulande auch notwendig in Sachen Bedürftigkeit. "Die Mehrheit denkt, wer arm ist, ist selbst schuld", sagt Wilkens. Er ist Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Laib und Seele hält er für richtig und wichtig. Deshalb kann er die Kritik von Soziologieprofessor Stefan Selke, der 2012 eine heftige Debatte mit seiner These auslöste, die Tafeln unterstützten die Armut, weil sie den Staat aus der Fürsorgepflicht entließen, nicht nachvollziehen. "Keiner kann mit dem, was er einmal pro Woche bei uns erhält, auch eine ganze Woche leben, das ist ein Zusatzangebot." Das Grundproblem, die Armut, müsse bekämpft werden. Bis sich etwas ändere, sei die Tafel eine Hilfe. Auch als Mittel gegen Verschwendung: "Es ist skandalös, was bei uns an Lebensmitteln weggeworfen wird."
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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