Vietnam-Hilfe als Lebensaufgabe
Zehlendorf. Im Oktober war wieder so mancher Tag bitterkalt. Ursula Nguyen trotzt der Kälte seit 41 Jahren. Aus einem guten Grund. Einen Monat lang steht sie seither jedes Jahr vor dem Rathaus Zehlendorf und organisiert einen Basar. Mit dem Erlös finanziert sie medizinische Hilfe für Vietnam.
Die Marktbesucher erwartet stets ein breites Angebot – vom Ledergeldbeutel für einen Euro bis zum hochwertigen Wintermantel für 250 Euro. Es gibt Bücher, CDs, Geschirr für jeden Tag, hochwertiges Kristall, Schmuck. „Und schauen Sie hier, ganz viele Socken und Schals. Die strickt eine Freundin jedes Jahr für den Basar“, erzählt Ursula Nguyen.
Weitere Sachspenden steuern Zehlendorfer Bürger und Geschäftsleute bei. „Für diese Unterstützung kann ich gar nicht genug danken“, sagt die 66-Jährige.
Alleine steht sie nicht auf dem Markt. Es gibt ehrenamtliche Helfer, die beim Auf- und Abbau und beim Verkauf anpacken. „Ich habe ein paar Stammtruppen", erläutert Ursula Nguyen. Darunter sind ehemalige Schadow-Schüler. Sie studieren inzwischen, helfen aber jedes Jahr aufs Neue.
„Während einer Reise nach Vietnam, zu der uns Ursula eingeladen hatte, habe ich gesehen, wie Kindern geholfen werden konnte. Ich weiß, wo das Geld hinkommt“, erzählt zum Beispiel Rana Demiral. „Deshalb werden wir auch weitermachen“, sagt Elisabeth Schalt. Die beiden jungen Frauen helfen seit acht und zehn Jahren auf dem Basar.
Mit mehr als 20 000 Euro, eine ähnlich hohe Summe wie in den Vorjahren, war Ende Oktober die Kasse des Vereins „Medizinische Hilfe für Viet-Nam“ gefüllt. Davon kauft Ursula Nguyen Klinikbetten, Rollstühle und orthopädische Hilfsmittel, die per Container in die Provinz Khanh Hoa in Südvietnam kommen. Dort gibt es Kliniken und Krankenhäuser, die auf die Spenden angewiesen sind. Auch Waisenhäuser und Schulen profitieren vom Verein. Für diesen unermüdlichen Einsatz wurde Ursula im Mai das Bundesverdienstkreuz verliehen. „Nicht nur mir, uns allen wurde es überreicht“, sagt die 66-Jährige und schließt damit die Helfer und Spender ein. Die höchste Auszeichnung Vietnams, den Orden der Freundschaft zwischen den Völkern, erhielt sie bereits im Jahr 2003.
Zu ihrer Lebensaufgabe kam die gebürtige Saarländerin 1975. Die furchtbaren Bilder des Vietnamkrieges ließen sie nicht los.
Sie reiste in das Land, kam zurück, studierte Medizinsoziologie und schrieb ihre Diplomarbeit über das Entlaubungsmittel „Agent Orange“, das die US-Luftwaffe versprüht hatte. Gesundheitliche Folgeschäden durch die giftige Chemikalie gibt es bis heute.
Zurück in Berlin gründete Ursula den Verein für die medizinische Hilfe und begann, Basare zu organisieren. Sie lernte ihren Mann kennen, einen Vietnamesen, der in Berlin studierte und sie in der fremden Sprache unterrichtete.
Ursula Nguyen lebt heute die eine Hälfte des Jahres in der Stadt Nha Trang, hält dort Kurse in Hygiene und Gesundheitspropylaxe. In der übrigen Zeit stehen weitere Märkte und Veranstaltungen auf dem Programm – alles für ihren Verein. Sie kann sich nicht vorstellen, aufzuhören: „Nicht, wenn ich sehe, wie sehr ich damit helfen kann.“ uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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