„Die Leute wollen das“: Initiative für Milieuschutz setzt Baupolitiker unter Druck
Charlottenburg-Wilmersdorf. Zwar steht eine Ausweisung von Milieuschutzgebieten auf der Agenda des Bezirks weit oben. Aber eine neue Initiative um die Mieterwerkstatt Charlottenburg macht jetzt zusätzlich Druck von der Straße. Sie will ein jahrelanges Versäumnis schnellstmöglich behoben sehen.
Mit Buntstift sind Wohnblöcke, Bahntrassen und das Schloss Charlottenburg markiert. Handschriftlich eingetragen stehen dazwischen die Namen der Straßen. Vom Viertel an der Schloßparkklinik im Norden bis zur Stadtbahntrasse im Süden und von der Ringbahn im Westen bis zur Kaiser-Friedrich-Straße im Osten – dies das Milieuschutzgebiet, wie es sich Alban Becker und Martin Hoffmann wünschen. Den ersten kennt man noch als Gesicht der Kampagne für den Erhalt der Kleingartenkolonie Oeynhausen. Der andere vertritt die Belange der Initiative Mieterwerkstatt Charlottenburg. Und mit einem Team aus Gleichgesinnten möchten sie nun der Mietsteigerung im Herzen des Bezirks den Kampf erklären.
Sie fordern sofortigen Milieuschutz in einer Zone, die sie als Kerngebiet von Aufwertung und Verdrängung begreifen, und sammeln jetzt Unterschriften für einen entsprechenden Einwohnerantrag. Wenn sich 1000 Unterzeichner finden, gelangt das Gesuch in die Bezirksverordnetenversammlung und muss dort behandelt werden, wie der Antrag einer politischen Fraktion.
Bereits 500 Unterschriften
„Das Bezirksamt wird gebeten, für das Gebiet um den Klausenerplatz zwischen Kaiser-Friedrich-Straße, Kaiserdamm und S-Bahn-Ring einschließlich des Gebiets zwischen Schlosspark und S-Bahn Ring sowie um den Amtsgerichtsplatz unverzüglich die Ausweisung als Milieuschutzgebiet vorzubereiten“ – so lautet die Formulierung. Ihr stimmten bislang knapp 500 Bürger zu. Und so befindet sich der Antrag sozusagen auf halber Wegstrecke zum Ziel.
Während Bezirke wie Pankow in bis zu zehn Gebieten luxuriöse Sanierungsmaßnahmen zum Tabu erklärten, kam Charlottenburg-Wilmersdorf bisher über Absichtserklärungen nicht hinaus. Erst kurz vor der Wahl am 18. September erging im Rathaus Charlottenburg die Ankündigung, zumindest zwei Gebiete politisch „einzuhegen“.
Richtiger Schritt
Nur vorsichtig näherte sich das Bezirksamt in den vergangenen fünf Jahren einer sozialen Erhaltungssatzung an. Es lag auch daran, dass bezüglich der Wirksamkeit von Milieuschutz auf die Wohnkosten die Skepsis überwog. Lediglich in Verbindung mit vermehrtem Wohnungsbau, stärker aufgestellten städtischen Baugesellschaften und einer mieterfreundlicheren Bundespolitik könne die Unterschutzstellung wirksam sein, hieß es damals von Baustadtrat Marc Schulte (SPD).
„Natürlich werden wir Großinvestoren damit nicht stoppen können. Aber es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, weiß Alban Becker um die beschränkte Wirkung. Kann das Verbot des Einbaus von Fußbodenheizung und der Zusammenlegung kleinerer Wohnungen wirklich die Mieten stabilisieren?
Als schärfster Kritiker solcher Einschränkung in Berlin gilt der Eigentümerverein „Haus & Grund“, der die Interessen von Immobilienbesitzern vertritt. Dort stört man sich schon seit Jahren an „rigiden Vorstellungen darüber, wie Menschen im Bezirk zu wohnen haben“ und warnt davor, Investoren sinnvolle Sanierungsmaßnahmen politisch zu verleiden.
Alban Becker, selbst wohnhaft im südlichen Teil des möglichen Milieuschutz-Kiezes, erhielt in den vergangenen drei Jahren zwei Mieterhöhungen. Wenn in Charlottenburg für eine Heizkostenersparnis von einem Euro die Kaltmiete um 28 Euro klettere, laufe etwas falsch, warnt der Aktivist. Und er sieht sich mit den meisten seiner Nachbarn im Einklang. „Die Leute wollen das“, erfährt Becker immer wieder Zuspruch für Milieuschutz. Gerade des Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen sieht er als effektiven Bestandteil der Satzung an.
Bezirksamt untätig?
Martin Hoffmann wiederum kritisiert die lange Untätigkeit des Bezirksamts, das lange Prüfen und Warten auf Gutachten – obwohl aus seiner Sicht längst klar sein müsste, wo Milieuschutz angebracht wäre: „Der Kiez am Klausenerplatz erfüllt alle Kriterien. Hier ist der Aufwertungsdruck deutlich zu merken.“
Und tatsächlich: Nach der Wahl im September 2016 stand eine Unterschutzstellung von drei Gebieten im Opernviertel, auf der Mierendorffinsel und am Klausenerplatz ausdrücklich in der Vereinbarung von SPD, Grünen und Linken. Jedoch fehlt aus Sicht von Hoffmann ein Gedanke: Wenn man in einem bestimmten Teil des Bezirks Milieuschutz ausweist, weichen die Investoren in die Nachbarkieze aus und sorgen dort für eine Verteuerung. Insofern ist das Gebiet im Einwohnerantrag möglichst weit gefasst. Und er könnte der Anstoß sein für eine ganze Reihe von weiteren Anträgen aus anderen Teilen des Bezirks. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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