Gleisbrache taugt zum Westkreuzpark – oder zum neuen Stadtquartier
Charlottenburg-Wilmersdorf. Weichenstellung für das Niemandsland am Bahnhof Westkreuz: Pläne für einen neuen Stadtpark konkurrieren mit der Vision zum Bau von 900 Wohnungen. Was geschieht wirklich zwischen dem Lietzensee-Kiez und der Heilbronner Straße?
Und wieder der gleiche Clinch. Wieder schwankt das Pendel zwischen Wahrung von Grünflächen und Gewinnung von Baugrund für Wohnungen. Auch am Westkreuz konkurriert jetzt die wachsende Stadt mit dem Wunsch nach Behaglichkeit in Park- und Gartenflächen.
Wenigstens im Fall der Brachfläche südlich der Rönnestraße und nördlich der Heilbronner Straße schien bisher sicher, dass Befürworter eines grünen Freiraums die Oberhand behalten. Der „Westkreuzpark“ stand ganz oben im Wahlprogramm der Grünen. Und die bevorstehende Änderung des Flächennutzungsplans in diesem Sinne schien das Schicksal besiegelt zu haben.
900 Wohnungen möglich
Aber auch die Gegenseite hat gewichtige Argumente, pocht immer lauter auf die Chance zur Entlastung des heißgelaufenen Berliner Wohnungsmarkts. Ein ganzer Kiez mit acht- bis 20-stöckigen Neubauten hätte auf der Halenseer Seite der strittigen Fläche Platz. Etwa 900 Wohnungen auf engstem Raum. Wie so ein hochverdichtetes, schallgeschütztes Ensemble aussehen könnte, hat der Investor Christian Gérôme bereits skizziert. Schätzungsweise 25 Millionen Euro würde es kosten, um die lang vergessene Landschaftsscholle zu entwickeln.
Gibt es für solch ein Stadtviertel direkt an den Gleisen der Stadtbahn nicht doch eine Aussicht auf Verwirklichung? Oder bleibt es bei der Weichenstellung zum Westkreuzpark, die Bezirksamt und Senat schon eingeleitet haben?
Im Wettstreit der Ideen dürfte die Deutsche Bahn als Grundstückseigentümerin eine Schlüsselrolle spielen. Sie will das Areal verkaufen. Und hätte insofern ein finanzielles Interesse an Offerten von zahlungsstarken Projektentwicklern.
Was sagen die Politiker?
Was aber sagen Bezirkspolitiker zur auflodernden Debatte? „Wir begrüßen ausdrücklich die Überlegungen, diese bislang einer Müllhalde gleichende Fläche sinnvoll zu nutzen. Bei der Nutzungsart kommt es darauf an, eine Verträglichkeit mit der Umgebung herzustellen“, zeigt sich Christoph Brzezinski von der CDU in beide Richtungen aufgeschlossen. Vieles spricht aus Sicht seiner Fraktion allerdings tatsächlich für einen Westkreuzpark. Doch die CDU möchte erst die Präsentation von offiziellen Entwürfen abwarten und diese vor allem mit den ansässigen Kleingärtnern diskutieren – sie sind im Niemandsland bisher die einzigen Nutzer.
„Eine klare Entscheidung für Grün“, stellt hingegen Wolfgang Tillinger im Namen der SPD-Fraktion fest. „Wir wollen eine Grünfläche und eine Wegeanbindung von der Rönnestraße zum S-Bahnhof Westkreuz“, hält er an Beschlüssen aus dem Sommer fest. Die Schaffung eines neuen Parks führt in Tillingers Augen über die Auflösung eines „Spannungsfelds zwischen den Verkaufsinteressen der DB und dem Ausgang des Flächennutzungsverfahrens“.
Selbige Ansichten vertritt Jenny Wieland von den Grünen: „Die Brache am Westkreuz liegt mitten zwischen lärmbelasteten Bahntrassen, eine verkehrliche Erschließung ist kaum möglich“, warnt sie vor einer Abkehr von der Grünflächen-Vision. „Zwangsläufig kann gar nicht anders als teuer gebaut werden – Investoren wollen dort Luxuswohnraum in Hochhäusern. Und für wenige bezahlbare Wohnungen sollen Kleingärten weichen.“
Mit Augenmaß
Ein unverhältnismäßig teures Immobilienprojekt wittert auch Niklas Schenker von den Linken. Im Gegenteil sei im Bezirk der Bau von mittelgroßen Wohnungen für höchstens 6 Euro pro Quadratmeter gefragt. „Die aktuellen Pläne sehen das nicht vor – nur wenige Sozialwohnungen sind vorgesehen, diese liegen aber getrennt von teuren Wohnhäusern und eingeklemmt zwischen Bahngleisen der Fernbahn und drei S-Bahnlinien“, lehnt Schenker den neuen Westkreuz-Kiez als „Musterbeispiel für fehlgeleiteten Wohnungsbau“ ab.
Keinen Widerspruch zwischen Bauinteresse und dem Bedürfnis nach Erholung im Grünen sieht die FDP. „Am Westkreuz gibt es die Chance, Wohnungsbau mit Augenmaß zu betreiben und gleichzeitig Grünflächen zu entwickeln“, plädiert Sprecher Felix Recke für einen Kompromiss mit Blick auf die wachsende Stadt. „Unser Plan: 900 Wohnungen in einem grünen Umfeld. Nicht gegen-, sondern miteinander.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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