"Ein Haus von allen für alle"
Kiezrunde diskutiert über Zukunft der Karstadt-Filiale an der Wilmersdorfer Straße

Bei der Kiezrunde konnte das Publikum über die drei Entwürfe der Studenten abstimmen.  | Foto:  Ulrike Kiefert
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Was wird aus der Karstadt-Investruine an der Wilmersdorfer Straße? Informationen fließen nur spärlich. Bei einem Kiez-Gespräch wurden Ideen ausgetauscht und Konzepte von Studenten vorgestellt.

Ob Karstadt, Galeries Lafayette oder das KaDeWe: In Berlin sterben die Kaufhäuser. Ihre Eigentümer melden Insolvenz an und schließen die Standorte. Zurück bleiben leere Betonriesen mit unklarer Zukunft. Auch die Karstadt-Filiale an der Wilmersdorfer Straße ist so ein Fall. Ihr droht der Abriss, weil der Grundstückseigentümer es für Gewerbe, Büros und hochpreisiges Wohnen neu bebauen will. Dass es auch anders geht, zeigen die ehemaligen Karstadt-Standorte in Neukölln, Wedding und in Hamburg. Sie stehen beispielhaft für eine (geplante) kreative Umnutzung statt Abriss leer stehender Flächen.

Vorstellbar wäre das auch für das Ex-Warenhaus an der Wilmersdorfer. Das wurde bei einer Kiez-Versammlung deutlich, zu der die Linken kürzlich in die Trinitatiskirche eingeladen hatten. In der Runde diskutierten die Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa Keilhacker, die Nachbarschaftsinitiative Karl-August-Kiez und die Kulturraum GmbH, der Abgeordnete Niklas Schenker (Linke) und der Bezirksverordnete Timur Saric (SPD) mit dem Publikum. Denn noch ist für den Standort nichts besiegelt. Ein Bauvorbescheid des Bauherren liegt zwar vor, war zuletzt vom Bezirksamt aber noch nicht bewilligt. „Soweit wir wissen, wird mit dem Eigentümer über eine kulturelle Zwischennutzung verhandelt“, informierte Niklas Schenker. Über was genau, darüber halte sich der Bezirk aber bedeckt. „Auch darüber, was der Eigentümer dort im Detail plant und was das Bezirksamt will.“ Bekannt sei jedoch, bestätigte auch Timur Saric, dass der Bauherr das Gesamtprojekt angesichts massiv gestiegener Baukosten auf seine Wirtschaftlichkeit hin überprüfe, was möglicherweise Planänderungen nach sich ziehen könne. So oder so: „Fakt ist, der Bezirk hat große Angst vor einem langen Leerstand.“

Ein Kiezhaus über sechs Etagen bis hoch aufs Dach.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Den wollen auch die Charlottenburger nicht. „Ich bin dort regelmäßig einkaufen gegangen, jetzt geht das nicht mehr“, bedauerte eine Frau aus dem Publikum. „Das Warenhaus gehörte zum Kiez dazu“, meinte Stefan Woyde von der Nachbarschaftsinitiative. Das sei jetzt weggebrochen und Alternativen müssten her. Was aber wünscht sich der Kiez? Laut den Linken hat eine Umfrage in der Wilmersdorfer Straße gezeigt, dass sich die meisten im Karstadt-Haus ganz vieles vorstellen können: Gastronomie und Einzelhandel, Wohnungen und Soziales ebenso wie Platz für Bildung und Kultur. Einige Ältere hätten sich Karstadt auch komplett zurückgewünscht.

Für eine sinnvolle Umnutzung statt Abriss sprach sich auch Theresa Keilhacker aus. „Ob Ärztehaus, Bibliothek oder Studentenwohnungen, es gibt viele Ideen“, so Keilhacker. Ob als Zwischennutzung oder dauerhaft. Als ein positives Beispiel für die erfolgreiche Transformation eines Kaufhauses in Berlin nannte die Architektin den alten Hertie-Standort an der Moabiter Turmstraße. Dort hat der neue Eigentümer zwei Geschosse mit Wohnungen aufgestockt und drinnen neue Shops eröffnet. „Das läuft hervorragend.“ Was dagegen gar nicht gehe, so Keilhacker weiter, sei das Up!-Bürohaus am Ostbahnhof, dem alten Galeria Kaufhof und dem noch älteren Centrum Warenhaus. „Das ist von der Öffentlichkeit hermetisch abgeriegelt, das kann es auch nicht sein.“

Karstadt als "Obdach" für Familien mit wenig Geld.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Prikko Husemann von der Kulturraum GmbH erinnerte an die „hohen Mieten“, mit denen die Künstler in Berlin zu kämpfen hätten. Die Theaterwissenschaftlerin schlug daher Ateliers und Ausstellungsräume auf der Verkaufsfläche des Ex-Warenhauses vor. Diese Zwischennutzung wäre am einfachsten zu realisieren, „ohne eine große Nutzungsänderung beantragen zu müssen“.

Ernsthafte Gedanken über die Nutzung des Kaufhausgebäudes haben sich Studenten der Technischen Universität (TU) Berlin und der Fachhochschule (FH) Potsdam gemacht – und dabei ging es nicht um Luxusbespielungen. „Kiezhaus statt Kaufhaus“ heißt ein Entwurf, der für den Betonkoloss an der Wilmersdorfer Straße einen Nutzungsmix aus Einzelhandel, Kultur und Gastronomie, Beratungszentrum und Repaircafé bis hin zum Gesundheitszentrum, Urban Gardening und einer Kletterwand im Lichthof vorschlägt.

Die Studenten Clara Zimmermann und Theodor Dittrich wollen aus dem Kaufhaus „Charlottenburgs Stadtteilzimmer“ machen mit Food Markt, Bildungsangeboten, Bücherhimmel, Kleidertauschbörse, Kreativem und mit Sport, Spielparadies und Stadtteildach. „Ein Haus von allen für alle", erklärt Theodor Dittrich. "Für den Bezirk wäre das eine einmalige Gelegenheit, denn das Gebäude steht noch nicht lange leer.“ Und Jan Schwaiger aus Potsdam hat seinen Entwurf für die Karstadt-Filiale „Obdach“ genannt. Seine Idee: Einzelwohnungen, Wohnungen für Familien und Paare, Gemeinschaftsräume, eine Mensa und ein Café, Veranstaltungsbereiche, Beratung und Anlaufstellen für Arbeitslose und das alles unter einem Dach.

Die Karstadt-Zeiten sind vorüber.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Die Karstadt-Zeiten sind vorüber.
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„Interessante Impulse“ und eine „Vielfalt an Möglichkeiten“: In der Runde kamen die Konzepte der Architekten und Stadtplaner in spe gut an. Immerhin haben sie damit erfolgreich am studentischen Ideenwettbewerb „Transforming Karstadt“ teilgenommen. Auch wenn nicht alles realisierbar ist, es liegen wenigstens Ideen vor. Darüber waren sich alle einig. „Das Bezirksamt scheitert ja schon daran, klare Position zu beziehen und konkrete Bedarfe zu formulieren“, kritisierte Niklas Schenker. Dabei sei doch klar: „Es fehlen Flächen für Wohnungen, Kitas, Kultur, Soziales und auch für Klubs.“ Im Fazit will man die Entwürfe der Studenten dem Eigentümer und dem Bezirksamt vorstellen – sofern Interesse besteht.

Die Karstadt-Filiale an der Wilmersdorfer Straße ist, wie berichtet, seit Mitte Januar geschlossen. Eigentümerin des Grundstücks ist die Cofra Holding AG, die das Gebäude abreißen und mit einem Neubau ersetzen will. Das Unternehmen gehört der niederländischen Großfamilie Brenninkmeijer oder Brenninkmeyer, die zu den reichsten Familien Europas gehört.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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