Verdrängungsdruck ist überall
Mieter fordern Neubewertung des Milieuschutzgebietes in Charlottenburg
Die Einwohner des Gebietes rund um den Klausenerplatz wollen sich weiter gegen die abgespeckte Version des Milieuschutzes für ihr Quartier wehren. Das stand spätestens nach der Anwohnerversammlung im Rathaus fest.
Dort hatte die Landesweite Planungsgesellschaft (LPG) die Ergebnisse ihrer Haushaltsbefragung präsentiert, auf denen die Reduzierung des im Aufstellungsbeschluss verankerten Gebietes basiert.
Ende 2016 hatte die MieterWerkStadt Charlottenburg, ein Zusammenschluss von Mietern in diesem Gebiet, 1500 Unterschriften für den Antrag auf Milieuschutz gesammelt und beim Bezirksamt eingereicht. Anfang 2019 wurde der Aufstellungsbeschluss gefasst. 40 000 Haushalte – von der Pulsstraße im Norden über den Klausenerplatz bis zum Amtsgerichtsplatz im Süden – sollten ursprünglich unter die soziale Erhaltungsverordnung fallen.
Nach ihrer Erhebung kam die LPG aber zu dem Ergebnis, dass nur das Gebiet zwischen Spandauer Damm, Schloßstraße, Sophie-Charlotten-Straße und Knobelsdorffstraße sowie das Gebiet nördlich des Spandauer Damms bis zur Mollwitzstraße unter Schutz zu stellen wäre. Nur dort bestünde noch für Wohnungseigentümer oder Investoren wirtschaftlich interessantes Aufwertungspotenzial. In den anderen Straßen würden die Menschen zu gut verdienen, seien die Wohnungen zu gut ausgestattet.
Bei der ersten Veröffentlichung der Ergebnisse anlässlich einer Bauausschusssitzung hatte Grünen-Baustadtrat Oliver Schruoffeneger angekündigt, die Empfehlung der LPG auch der BVV weitergeben zu wollen, weil der Bezirk dann rechtlich auf der sicheren Seite sei. „Klagen von Investoren kann es immer geben“, wiegelte Klaus Helmerichs von der MieterWerkStadt ab. Dieses Risiko sollte das Bezirksamt zum Schutze seiner Bürger schon eingehen.
Etwa 70 Betroffene kamen zur Anwohnerversammlung und konnten mit den Resultaten der LPG nichts anfangen. Helmerichs nannte Beispiele: „Möglich, dass die Anwohner am Amtsgerichtsplatz mehr verdienen. Aber was, wenn dort Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen? Wer hat mal eben 500 000 Euro? 70 Prozent der Wohnungen dort könnten theoretisch umgewandelt werden. In der Pulsstraße, stehen zwei Fünfgeschosser. Und dort leben sicher keine Menschen mit viel Geld. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Gebiete nicht mit einbezogen werden.“
Die Anwesenden wiesen in der anschließenden Diskussion auf den starken Verdrängungsdruck in allen nicht berücksichtigten Gebieten hin. Für die MieterWerkStadt unverständlich: Selbst aus den Folien der LPG geht hervor, dass Mieter im gesamten Untersuchungsgebiet von Verdrängung bedroht seien.
Um die soziale Zusammensetzung im gesamten Untersuchungsgebiet zu erhalten, bedürfe es der Unterschutzstellung des gesamten Gebietes. Die MieterWerkStadt fordert dringend eine Neubewertung. Schruoffeneger habe allerdings nicht gerade positive Signale entsandt. „Er meinte, das würde erst einmal nicht mehr angefasst“, sagte Helmerichs. Weiter gekämpft wird trotzdem. „Drei BVV-Fraktionen stehen offenbar auf unserer Seite. Mit denen werden wir jetzt sprechen, versuchen eine Mehrheit zu bekommen und auszuloten, welche Schritte wir unternehmen können.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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