"Freie Öffnung bis zum Himmel"
Siegerentwurf für Alten Turm der Gedächtniskirche gekürt
Der Alte Turm der Gedächtniskirche ist für Besucher tabu. Das wird sich mit dem geplanten Ausbau ändern. Der Siegerentwurf schlägt eine Treppe bis ganz nach oben vor. Weitere Besuchermagnete sind ein Wasserbecken und eine Klanginstallation.
„Hohler Zahn“ nennt ihn der Volksmund. Den Alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Doch seine „hohlen“ Tage sind gezählt. Die löchrige Ruine wird gefüllt. Von innen, nicht von außen, aber dennoch nicht zu übersehen. Denn was die Architekten mit dem Turmstumpf vorhaben, ist imposant. Sein Innenraum wird sich komplett verwandeln, hin zu einer offenen Mitte „mit atmosphärischer Kraft“ – bis hoch in den Himmel.
Die anspruchsvolle Aufgabe übernimmt das Büro heneghan peng architects aus Dublin (Irland) zusammen mit Ralph Appelbaum Associates aus Berlin. Beide Architekturbüros haben den von der Kirchenstiftung ausgelobten mehrstufigen Wettbewerb gewonnen. Ziel des Wettbewerbs war es, die aktuelle Ausstellung unten in der Gedenkhalle des Alten Turms bis ganz nach oben auf dann 500 Quadratmeter zu erweitern und das markante Denk- und Mahnmal „touristisch zu qualifizieren“.
Erstmals öffnen sich dann auch die oberen Ebenen des Alten Turms für die Berliner und Touristen. Treppenstufen führen hinauf, oben wird man dann auf 68 Metern Höhe mit einem spektakulären Blick auf die City West belohnt. Das nach dem Zweiten Weltkrieg erneuerte Dach an der Spitze des gebrochenen Kirchturms wollen die Architekten abnehmen, „um durch die freie Öffnung zum Himmel die Authentizität der mahnenden Ruine zu stärken“. Das ist aber noch nicht alles. Auf dem Weg nach oben passieren die Besucher zwei Ausstellungsemporen, die auch über einen Lift erreichbar sein sollen. Auf der ersten Ebene des Turms erwartet sie ein Wasserbecken, darüber schwebt auf der zweiten Ebene ein breiter Ring über dem zentralen Hohlraum. Ein neues Lichtkonzept und Glockensound runden das Ganze ab.
Das Preisgericht lobte den Entwurf als „fein abgewogene Inszenierung“ von Bauwerk, Licht, Wasser, Wind und Klang. Der Gedächtniskirche als ikonischer Nachkriegsarchitektur werde „eine neue Zeitschicht“ hinzugefügt, sagte Christoph Rauhut bei der Präsentation des Siegerentwurfs. Berlins oberster Denkmalschützer gehörte dem Preisgericht ebenso an wie Architekt Matthias Sauerbruch, der den Vorsitz übernommen hatte.
Ganz billig sind die ehrgeizigen Pläne, die die Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Ex-Pfarrer Martin Germer schon vor über zehn Jahren für den Alten Turm hatten, nicht. Zehn Millionen Euro fließen nun aber als GRW-Mittel vom Land Berlin, etwa 1,1 Millionen Euro steuert die evangelische Landeskirche bei. Die Investition werde sich aber lohnen, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit Blick auf steigende Besucherzahlen.
Wann der Umbau beginnt und wie lange er dauert, ist noch nicht voraussagbar. Klar ist aber, der Auftrag soll noch dieses Jahr an das Siegerteam vergeben werden. „Ich denke, in drei Jahren wird man hier schon etwas sehen“, so Pfarrerin Sarah-Magdalena Kingreen. Während die neue Kirche für Andachten, Gottesdienste und Co. offen bleibt, werden die Attraktionen im Alten Turm Eintritt kosten. Die Kirche finanziert damit die Unterhaltungskosten gegen. „Hier werden aber keine riesigen Kassenanlagen entstehen“, sagte Benjamin Hossbach von „phase eins“. Das Architekturbüro war mit der Durchführung des Wettbewerbs beauftragt. Tickets sollen künftig im Voraus über eine App buchbar sein.
Die Gedächtniskirche besuchen laut Stiftung jährlich rund 1,3 Millionen Menschen aus aller Welt. Anziehungspunkte sind vor allem das Design des Architekten Egon Eiermanns, der das neue Kirchengebäude entwarf, und das blaue Licht der Fenster aus Chartes, gestaltet von Gabriel Loire im Inneren des Kirchenraums. Zum Denkmalensemble gehören heute insgesamt vier Neubauten rund um den Alten Turm. Saniert werden sollen noch die Fassade des sechseckigen Glockenturms und das Foyer im Alten Turm. Seit dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt vor der Gedächtniskirche im Dezember 2016 ist das Berliner Wahrzeichen auch Gedenkort für die Opfer von Gewalt und Terror.
Die Wettbewerbsarbeiten sind noch bis zum 26. Oktober im ansonsten leeren Foyergebäude der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz ausgestellt und zwar täglich von 10 bis 18 Uhr und sonntags ab 11.30 Uhr.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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