Visionen für das Westkreuz: Wie Architekten ein „Monster“ zähmen
Zukunft von ZOB und "Zitrone"
Dabei hatte ihnen der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin als Veranstalter eine Dreiteilung mit auf den Weg gegeben, ohne die ein großer Entwurf nicht auskommt: So befassten sich die einen mit einer Neunutzung des „Canyons“, also den brachliegenden Freiflächen zwischen dem Lietzensee-Kiez, Halensee und Grunewald. Eine zweite Gruppe verwandelte den ZOB in eine „Arrival City“ und stellte die Frage: „Kann der Berliner Busbahnhof mehr sein, als ein Umsteigepunkt unter Wellblech?“ Und eine dritte Abteilung grübelte über die Eingliederung des ICC und der „Zitrone“, einem Bürohaus am Halensee, als „friendly Alien“. Man merkt: Schon die Wortwahl zur Bezeichnung der Gegebenheiten am „Spaghettimonster“ lässt es an Spritzigkeit nicht fehlen. Dabei gelten die Grundvorraussetzungen als mies: „Die Flächen sind vor allem dem motorisierten Verkehr vorbehalten. Zwischen den Trassen liegen Zwischenflächen – schwierig zu erreichen, lärmig und durch Schadstoffe belastet. Eigner wie Bahn, Bund, Messe oder private Investoren verfolgen unterschiedliche Interessen“, heißt es in der Bewertung des Status quo.
Viele Akteure mischen mit
Geldgeber, Politiker, Bahn und BVG – jeder Akteur am Westkreuz will etwas anderes. Innerhalb der planerischen Grenzen entstanden beim Schinkel-Wettbewerb trotzdem Visionen für ein fruchtbares Ganzes.
Da spazieren Parkbesucher über eine Fußgängerbrücke zwischen Baumriesen, Dachfirsten und Gleisen umher. Da arrangieren sich Familien, Sportler und Künstler mit dem Mischmasch aus alten Bahngebäuden, neu gepflanzten Büschen und modernen Wohnhäusern. Junge Leute feiern unter einer Diskokugel, die an einem Autobahnzubringer schwingt. Gläserne Türme, ICC und Freiraum bestehennebeneinander – sind das wirklichkeitsferne Simulationen oder plausible Leitbilder? Der Architektenverein glaubt an letzteres.
"Canyon" überwinden
Für eine Überwindung des „Canyons“ sehen die Schinkel-Preisträgerinnen Nora Prahm und Jelena-Kristina Vincetic von der Bauhaus-Uni Weimar eine Umfunktionierung des S-Bahnhofs Westkreuz zum Stadttor für die drei einzelnen Quartiere vor. Er schlägt die Brücke vom Park im Osten zum ZOB im Norden und zum Wohngebiet im Westen. Julian Brack, Gerson Egerter, Robert Stahlschmidt von der TU Berlin wollen den Busbahnhof unter dem Stichwort „Arrival City“ an die Stadtautobahn verlegen. Der Eingang würde dann auf dem Vorplatz gegenüber des ICC liegen – über dem Terminalbereich "schwebt" eine Bibliothek. Am ursprünglichen Standort des ZOB entstünde dafür ein Stadtquartier.
Was wird aus dem "friendly Alien"?
Und was wird aus dem „friendly Allien“, dem ICC? „Stadtmalandersrum“ nennt sich der Lösungsvorschlag von Noah Scheifele und Joel Seeger von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Das Kongresszentrum und danebenliegende Straßen und Gleise umschließen sie mit einem System aus Ringen, die auf mehreren Ebenen übereinander verlaufen und die drei Teile des „Canyons“ verbinden. Ganz oben: eine Trasse für Fußgänger und Radler. „Ziel ist ein städtischer Mix aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit“, heißt es zur Erklärung.
Mit den drei Aufgabenfeldern hatten sich 322 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, China, Jordanien und Frankreich befasst, so dass für den Schinkel-Wettbewerb insgesamt 150 Arbeiten eingingen. Ein Preisgeld von 20 000 Euro teilten sich die Gestalter von elf Beiträgen in den Fachsparten Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur und konstruktiver Ingenieurbau.
Ausstellung bis 23. März
Sie liefern Bezirkspolitikern nun einen Denkanstoß, um die Einzelprobleme wie das Wiederbeleben des ICC, die Entwicklung des Güterbahnhofs Grunewald und die Schaffung des Westkreuzparks als Ganzes zu sehen. Bislang liefen alle drei Verfahren auf getrennten Schienen. Vielleicht auch aus Furcht vor der schieren Größe des „Spaghettimonsters“ namens Westkreuz. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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