Wandern an Wasserstraßen: Neuer Rundweg bereichert den Mierendorff-Kiez
Charlottenburg. In einer Stunde um die Insel: Auf 5,3 Kilometern Länge erstreckt sich ein Pfad, den Anwohner und Stadtentwickler gemeinsam planten. Dort trifft man nun entlang der Kanäle auf Sprayer, Kleingärtner, Grillfreunde – und Marshmallows zum Sitzen.
Sprühdosen zischen, die Bratwurst brutzelt, die Heckenschere schnappt. Mit etwas Wind plätschert das Kanalwasser etwas lauter als die Autobahn hallt. Und wie man so dasitzt auf einem der „Marshmallow“-Steine in ausgeklügelten Farben, kann man die Erkenntnis sacken lassen: Das hier ist ein Stück Charlottenburg, wie man es so vermutlich noch nicht kannte.
Solche Eindrücke kann hier nun jeder sammeln, der dem City West-Trubel für eine Stunde entrinnen will, ohne sich gleich in den Grunewald zu verirren. Sie bieten sich dem geneigten Großstadtwanderer auf dem frisch eingeweihten Rundweg rings um die Mierendorff-Insel – einem Kiez, zu allen Seiten eingefasst von Wasserstraßen.
Und neben den Fachleuten von Baustadtrat Marc Schulte (SPD), der das Werk mit einem Kiezspaziergang einweihte, brachten auch Anwohner ihre Überlegungen mit ein.
Immerhin bewirbt sich das hiesige Projekt „Nachhaltige Mierendorff-Insel 2030“ gerade im Bundeswettbewerb Zukunftsstadt um einen der vorderen Plätze – als einer von zwei Teilnehmern aus Berlin.
Einen Ort darzustellen, an dem die wirtschaftliche, soziale und ökologische Balance intakt bleibt, das wird das Ziel sein. Und der Rundweg gibt Einblicke in jene Landschaft, die dem Nachhaltigkeitsstreben als Kulisse dient.
Ausgehend vom Bahnhof Jungfernheide also wendet man sich auf der Max-Dorn-Straße westwärts und erreicht bald die zu begehende Schotterpiste. Hier führt der Weg immer an den Spundwänden entlang, und man erblickt ein Wechselspiel aus Gewerbeanlagen und Biotopflächen. Einkehr halten kann der Rundweg-Tester dann auf der nördlichen Inselseite bei der Kleingartenkolonie Stichkanal am Goslarer Ufer, wo Laubenpieper 70 Jahre nach der Gründung gerne darüber Auskunft geben, warum solche Areale dauerhaft Wert haben. „Wir sind bestrebt, diese Kaltluftschneise zu erhalten“, versicherte der Kolonievorsitzende Thomas Stolpe dann auch dem mehr als 200-köpfigen Tross des Kiezspaziergangs.
Neben diesem bewahrenden Geist bemerkt man gleich vor Ort das Novum: die legale Sprayer-Wand, eine bis vor Kurzem schmucklose Betonmauer hinter dem Abzweig zur Lise-Meitner-Straße. Hier nehmen nun nach einem erfolgreichen Antrag der Grünen-Bezirksverordneten Jenny Wieland Graffitikünstler ganz legal Sprühdosen zur Hand und üben die perfekte Technik. „Sie müssen ihre Werke nicht gehetzt umsetzen, sondern arbeiten in aller Ruhe und mit Plan. Das ist für sie und für uns alle ein Gewinn“, freut sich Wieland über Kreativität in den rechten Bahnen.
Farben werden auf der Mierendorff-Insel generell an Bedeutung gewinnen. Und deshalb verdienen auch die bunten Akzente des Malermeisters Botho Fernow Beachtung – etwa an der Caprivi-Brücke oder am Grillplatz Gaußstraße. Hier sorgen einstmals graue Betonpoller nun in Pastelltönen für einen Merkeffekt. „Die Leute erinnern sich leichter an den Grillplatz, wenn sie Marshmallows sehen“, sagt Fernow. Und meint damit seine Poller.
Leichter erinnern können, das spielt auch eine Rolle beim Bezeichnen des Eilands. Ging der alte Name Kahlowswerder noch mit altbackenem Beigeschmack über die Lippen, soll die jetzige Bezeichnung von Frische künden. In dem Sinne: Willkommen auf der Mierendorff-Insel. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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