Eindrückliche Gedenkarbeit
Birgitta Behr verpackt Stolperstein-Schicksal als Graphic Novel in der Ausstellung "Susi, die Enkelin von Haus N. 4"

Gefühle transportieren, Brücken bauen, so will Brigitte Behr die Bedeutung der Nazi-Schreckensherrschaft den Schülern von heute bewusst machen.  | Foto: Matthias Vogel
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  • Gefühle transportieren, Brücken bauen, so will Brigitte Behr die Bedeutung der Nazi-Schreckensherrschaft den Schülern von heute bewusst machen.
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Es ist der wohl letzte Streich von Birgitta Behr zum Thema "Susi, die Enkelin von Haus N. 4". Sie hat die Geschichte hinter dem Stolperstein der Gertrud Cohn als Graphic Novel in der Villa Oppenheim im wahrsten Sinne des Wortes begeh- und begreifbar gemacht.

Wer die Ausstellung in der Villa Oppenheim besucht, läuft am Berlin der 30er-Jahre vorbei, bevor er das Haus der jüdischen Familie Cohn betritt. Die Musik der Zeit dringt ans Ohr, riesige Fotoleinwände vermitteln Stadtatmosphäre. Ein altes Grammophon ist aufgestellt. Im "Haus" ist es ebenfalls gemütlich, es herrschen warme Farben vor, alles ist in bester Ordnung bei Gertrud Cohn, hier an der nachgestellten Adresse am Nikolsburger Platz 4 in Wilmersdorf. Noch.

Buch, Theaterstück, Film - nun die Ausstellung

Ursprünglich wollte die Cecilien-Grundschule ihren Schülern die Schicksale hinter den Stolpersteinen plakativ machen, den Mahnmalen in Gestalt von Pflastersteinen „ein Gesicht geben", wie es Lehrerin Brigitte Behr schon im Februar vergangenen Jahres nannte, als die umfangreichen Rechercheergebnisse der Geschichtswerkstatt zum Stolperstein von Gertrud Cohn sie auf die Idee brachten, die Geschichte der kleinen Susi in ein illustriertes Buch zu packen. Es folgten ein Theaterstück und ein Film, der im Kant-Kino lief. Nun gibt es – quasi als letzten Baustein – die Ausstellung "Susi, die Enkelin von Haus Nummer 4 – das Überleben im Nationalsozialismus einer als Juden verfolgten Familien im Untergrund".

Düstere Stimmung gut rübergebracht

Wieder wird die wahre Geschichte des jüdischen Mädchens aus Wilmersdorf transportiert, das gemeinsam mit seinen Eltern Steffy und Ludwig Collm im Oktober 1942 vor der Verfolgung durch die Nazis untertauchte und dank eines Netzwerks von Helfern ebenso wie ihre Eltern überlebte. Es wird dunkel und ungemütlich auf dem Parcours, der in der Villa Oppenheim an den Stationen der Familie in dieser Zeit vorbeiführt. Die Wände sind schwarz, gezeichnete Bilder aus dem Buch, vergrößert und mit Sprechblasen versehen, zeugen von der Deportation der Großmutter, der Verfolgung durch die Nazis und die durch die Flucht bedingte Trennung von Susi und ihren Eltern, dem Verlust des Hauses, der Angst. Die Beklemmung weicht schließlich der Erleichterung. Zwar wird die Großmutter ermordet, die Familie findet aber wieder zusammen. Es wird wieder heller an den Wänden, fröhliche Musik spielt, auf den Fotos sieht man jetzt lachende Gesichter.

Unterstützung vom Kulturamt

Mit einem Modell aus Pappschachteln und leeren Eierkartons war Behr, die seit der Filmproduktion von ihren Aufgaben als Lehrerin freigestellt ist und seither als Illustratorin, Produzentin und Künstlerin zwischen den Metiers wandelt, beim Kulturamt vorstellig geworden, auf der Suche nach Raum und Finanzierung für ihre Graphic Novel. Und sie staunte nicht schlecht, als sie kaum Überzeugungsarbeit leisten musste. Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) habe sofort gesagt: "Kriegen wir hin." Bei der Vorstellung des außergewöhnlichen Formats war Behr merklich gerührt von der großen Unterstützung: "Ohne Sie säße ich immer noch mit meinen Pappkartons da." Heike Schmitt-Schmelz zeigte sich indes glücklich, nun ihre erste Kinder- und Jugendausstellung zum Thema zu haben. Sie war es auch, die Museumsleiterin Heike Hartmann, den Ausstellungsgestalter Marion Meyer und Behr zusammenbrachte.

Das Haus selber schlüpft in die Rolle des Erzählers

Das Ergebnis spricht für sich. Besonders durch die Erinnerungen, Dokumente und Gegenstände von Susis Stiefbruder Stefan Collm aus dem Familienarchiv wirkt die Geschichte authentisch. Schulkinder ab zehn Jahren können nicht nur in die Historie eintauchen und lernen, sondern bekommen auch eine Ahnung davon, was für Gefühle die Schreckensherrschaft der Nazis bei den Menschen auslöste. Das Haus selber schlüpft in die Rolle des Erzählers, verkündet Lebensweisheiten. "Es hat die Draufsicht auf alles und durch diesen Kunstgriff wird Susi nicht zu einem Besserwisserkind", erklärte Behr. Am Ende dürfen die Kinder reflektieren, ihr eigenes Haus malen und an eine Wand pinnen. Behr zieht Susis Happy End heran – sie wanderte später nach Amerika aus und eröffnete ein Schokoladen- und Delikatessen-Geschäft –, um die Kinder mit einer Botschaft wieder in das Hier und Jetzt zu entlassen: „Wer vorzeitig aufgibt, schafft die beschwerlichen Wege nicht.“ 

Die Sonderausstellung "Susi, die Enkelin von Haus N. 4" in der Villa Oppenheim, Schloßstraße 55, ist bis 16. Juni geöffnet: Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So und feiertags 11-17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Ein Veranstaltungsprogramm und Angebote für Schulklassen begleiten die Ausstellung. Infos auf www.villa-oppenheim-berlin.de.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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