Linguistin der TU Berlin untersucht die Schülersprache
Was ist die Kernaussage Ihrer Doktorarbeit?
Diana Marossek: Die Kernaussage ist, dass inzwischen alle Schüler in Berlin den "Ethnolekt" kennen und sprechen. Unter "Ethnolekt" verstehe ich das Weglassen von Artikeln und Präpositionen. Wenn man zum Beispiel sagt: Ich gehe Bahnhof - anstatt zu sagen: Ich gehe zum Bahnhof. Oder: Ich gehe Klo. Ich brauch Schlüssel. Gib mir mal Locher.
Auf welche Weise haben Sie das Phänomen erforscht?
Diana Marossek: Ich habe in 30 Berliner Schulen den Unterricht besucht und mich dort als Referendarin ausgegeben. In jedem Altbezirk war mindestens eine Schule dabei.
Müssen sich bildungsbewusste Eltern in Charlottenburg-Wilmersdorf Sorgen machen?
Diana Marossek: Nein, sie müssen sich keine Sorgen machen. In Charlottenburg-Wilmersdorf ist eine mittlere Tendenz erkennbar. Alle Schüler dort kennen "Kiezdeutsch" und sie benutzen es bewusst, zum Beispiel, um sich von anderen abzugrenzen. Was Eltern tun können, ist, darauf zu achten, und ihre Kinder - je nachdem, ob sie es gutheißen oder nicht - zu korrigieren. Wie man damit umgeht, muss jeder selbst entscheiden.
Wird "Kiezdeutsch" auch in der Schriftsprache Einzug halten?
Diana Marossek: An bestimmten Schultypen, zum Beispiel an Haupt- und Gesamtschulen, klagen Lehrer darüber, dass es schon so weit ist. Ich denke, dass das Schreiben von SMS und das Chatten das Phänomen unterstützen könnten. Aber gültige Aussagen kann ich dazu nicht machen, weil ich diesen Aspekt nicht untersucht habe.
Was ist das Verbindende zwischen Ihrer Arbeit als Buchverlegerin und als Sprachforscherin?
Diana Marossek: Ich sehe es so, dass vor allem bei Kindern mit Migrationshintergrund mehr für die Leseförderung getan werden muss. Ich engagiere mich auch selbst dafür, zum Beispiel durch Lesungen in Kitas. Und ansonsten bleibt zu hoffen, dass ein Sprachbewusstsein entsteht, damit die jetzigen Kindergartenkinder später unterscheiden können, was "richtiges" Deutsch ist und was Umgangsdeutsch - und das nicht durcheinanderbringen.
Doktorarbeit, Verlagswesen, Kunst-Agentur und ein Baby - wie bekommt das eine junge Mutter bewältigt?
Diana Marossek: Man muss eben Spaß an diesen Sachen haben. Und natürlich sind die Tage sehr lang. Von mir aus könnten sie gerne ein paar Stunden mehr haben - dann hätte ich genügend Zeit für den Schlaf.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.